Freihandel zwischen Ethik und handelspolitischen Interessen
Wirtschaftspolitisches Forum
Die Veranstaltung hatte das Ziel, gemeinsam mit Experten aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft mit entwicklungspolitischem Schwerpunkt darüber zu reflektieren, wie ein tragfähiges Handelssystem aussehen kann, das der ökonomischen Zersplitterung der Welt entgegenwirkt. Im Zentrum stand die Frage, wie Wirtschafts- und Handelspolitik in einer globalisierten Ökonomie gestaltet werden kann und welchen Spielregeln der Freihandel folgen sollte, um ungleiche Voraussetzungen der Handelspartner ausgleichen zu können. Galt Freihandel unlängst noch uneingeschränkt als das Credo, von dem sich insbesondere die westlichen Industrienationen leiten ließen und auf dem sich ihr Wohlstand begründete, so hat neuerdings die Diskussion um den Freihandel eine andere Richtung eingeschlagen, seitdem die amerikanische Regierung oder auch einige Politiker innerhalb Europas mehr Protektionismus zugunsten nationaler Handelsinteressen fordern.
Die Veranstaltung zielte darauf, unterschiedliche Perspektiven zu Wort kommen zu lassen und miteinander in Dialog zu bringen. Als Referenten wirkten mit: PD Dr. Ulrich Thielemann, Wirtschaftswissenschaftler, Begründer und Direktor des wirtschaftsethischen Forschungszentrums MeM – Denkfabrik, Berlin; Professor Dr. Dr. Andreas Barner, der ehemalige, langjährige Vorstandsvorsitzende der Unternehmensleitung von Boehringer, Ingelheim, eines führenden Pharmaunternehmens; Jakob von Weizsäcker (SPD) als Vertreter der Politik, der als Abgeordneter des Europäischen Parlaments insbesondere die europäische Perspektive in die Diskussion einbrachte; Johannes Grün, Referatsleitung des Bereichs Wirtschaft und Umwelt bei Brot für die Welt – Evangelischer Entwicklungsdienst, Berlin, sowie die Moderatorin Dr. Brigitte Bertelmann, Dipl.-Ökonomin und langjährige Referentin im Zentrum Gesellschaftliche Verantwortung der EKHN.
Den einführenden Impulsvortrag hielt der Wirtschaftsethiker Ulrich Thielemann. Mit seinen kritischen Positionen, der die Grundfrage stellte, ob es denn prinzipiell immer mehr Freihandel geben müsse, auch wenn dies, so seine These, auf immer mehr Deregulierung und wachsende Leistungsungleichheitsbilanzen sowie eine sich verschärfende Einkommenspolarisierung hinausliefe, bot der Referent einen markanten Einstieg in die Thematik, dessen Thesen im weiteren Ablauf der Veranstaltung differenziert und kontrovers diskutiert wurden. Sowohl Professor Barner als auch der SPD- und Europa-Politiker Jakob von Weizsäcker rückten die Vorzüge des globalen Welthandels in den Vordergrund. Johannes von Grün machte in seinem Plädoyer entwicklungspolitische Aspekte geltend und argumentierte, dass Handelsabkommen stärker auf den Ausgleich von Ungleichheiten zielen und Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigen müssten. Jakob von Weizsäcker votierte für die Notwendigkeit einer sozialen Marktwirtschaft auf globaler Stufe. Dieser Position konnten sich alle Mitwirkenden auf dem Podium anschließen.
Die Veranstaltung setzte sich fundiert mit der Thematik Freihandel und den Strategien für eine gerechte Handelspolitik auseinander. Sie zeichnete sich durch hohe Qualität und differenzierte Betrachtungen seitens der Referenten und der Moderation aus, die durch fachkundige Wortbeiträge aus dem Publikum ergänzt wurden. Vielfach wurde in der Diskussion auch auf das aktuelle Heft der Bundeszentrale für politische Bildung zum Thema „Freihandel“ Bezug genommen, das zwei Wochen vor der Veranstaltung erschienen war. Klar erkennbar, wie aktuell die Thematik weiterhin ist. Virulent bleibt die Frage, ob Freihandel und Globalisierung handelspolitische Konzepte sind, die angesichts protektionistischer Tendenzen nunmehr der Vergangenheit angehören, oder welche Institutionen und Akteure zukunftsweisende Spielregeln eines gerechten und tragfähigen Handelssystems bestimmen werden.