75 Jahre akademiebegeistert
Das große Jubiläum
Die Evangelische Akademie in Hessen und Nassau wird 75! Feiern Sie mit, indem Sie das Suchbild durchstöbern und sich über unsere Themen informieren. Auf dieser Seite finden Sie auch unseren mehrteiligen Dokumentarfilm, Grußworte zum Jubiläum sowie weitere Fundstücke aus der Akademiegeschichte.
Abendmahl
Bis 1973 war es Lutheraner/innen und Mitgliedern der reformierten sowie unierten Kirchen nicht erlaubt, miteinander Abendmahl zu feiern. Zwischen den unterschiedlichen Theologien der Glaubensgemeinschaften schienen unüberbrückbare Gräben zu bestehen. Ein wichtiger Meilenstein hin auf dem Weg zu einem gemeinsamen evangelischen Abendmahl waren die „Arnoldshainer Abendmahlsthesen“, ausgearbeitet auf einer Konferenz in den Räumlichkeiten der Akademie im Jahr 1957. Die theologische Kompromissformel, die hier ersonnen wurde, brauchte einige Zeit, um sich durchzusetzen – wurde schließlich aber von allen evangelischen Kirchen in Europa akzeptiert.
Interreligiöser Dialog
Die Beziehungen zwischen den christlichen Kirchen und dem Judentum waren nach dem Zweiten Weltkrieg nicht einfach: Beiden Kirchen wurde vorgeworfen, während der Zeit des Nationalsozialismus zu wenig Widerstand gegen die systematische Vernichtung von Jüdinnen und Juden geleistet zu haben. 1950 gestand sich die protestantische Kirche eine Mitschuld an den nationalsozialistischen Verbrechen ein und legte ein „verbindliches Schuldbekenntnis der Christen gegenüber dem Judentum“ ab. Die Evangelischen Akademien gehörten zu den Ersten, die für das christlich-jüdische Verhältnis sensibilisierten und es ins Zentrum der Tagungsarbeit rückten.
In Hessen und Nassau wurde 1949 die erste Tagung zum Thema Antisemitismus von Hans Kallenbach geleitet. Im späteren Akademiegebäude in Arnoldshain fanden christlich-jüdische Pfingstreffen statt, bei dem Theolog/innen der unterschiedlichen Religionsgemeinschaften zusammenkamen. In den 70er-Jahren trug der Theologe und Soziologe Martin Stöhr zur Neubestimmung der christlich-jüdischen Beziehungen bei. Er positionierte sich gegen die Idee der „Judenmission“ und unterstrich den gleichberechtigten Status des Judentums. Diese Tradition wurde von den folgenden Direktor/innen der Akademie fortgeführt. Leonore Siegele-Wenschkewitz erweiterte den Dialog in den 80er-Jahren explizit um weibliche und feministische Stimmen.
Die Frankfurter Stadtakademie setzte sich ebenfalls für den christlich-jüdischen Dialog ein. Im „Trialog der Religionen“ holte sie in den 90er-Jahren zudem Vertreter/innen des islamischen Glaubens mit an den Tisch. Die Veranstaltungsreihe wird in der heutigen Akademie fortgeführt – in der Reihe „Heilige Texte“ sprechen Angehörige der drei Religionsgemeinschaften über ihre heiligen Schriften und über das Verhältnis von Religion und Politik.
Film
Bewegte Bilder prägen seit der Erfindung des Films die gesellschaftliche wie individuelle Rezeption von Wirklichkeit. Hatte sich die Kiche angesichts der Art und Weise, mit der die Nationalsozialisten das Kino missbraucht hatten, zunächst skeptisch gegenüber dem Medium positioniert, wurde die Beschäftigung mit dem Kino nach dem Zweiten Weltkrieg dennoch von vielen evangelischen Intellektuellen unterstützt und vorangetrieben. Hans Kallenbach, der erste Akademiedirektor, war Mitbegründer der Evangelischen Filmgilde, und schon im Jahr 1950 fand die erste explizite Filmtagung der damals noch nicht in Arnoldshain angesiedelten Akademie statt. Später entstand daraus die Jahrestagung der Evangelischen Filmarbeit.
Mit der Einrichtung des Arbeitskreises Film, Ästhetik und Kommunikation erhielt der Film ab den frühen 80er-Jahren einen festen Platz in der Akademiearbeit. Im Rahmen der von 1984 bis 2011 jährlich stattfindenden „Arnoldshainer Filmgespräche“ wurden die Künste des Kinos unter einem interdisizplinären und systematischen Anspruch behandelt. In der heutigen Akademie ist Filmarbeit weiterhin im Veranstaltungsprogramm verankert, etwa mit den Veranstaltungen zum „Film des Monats“ und „Film des Jahres“, den die Evangelische Filmjury kürt.
Wort-Bild-Dialog
Mit dem Wort-Bild-Dialog wollte die Frankfurter Stadtakademie Römer 9 alternative Formen der Wahrnehmung ansprechen. Von 2006 bis 2019 wurde regelmäßig zu Kunstausstellungen, Installationen und Performances eingeladen – auf dem Römerberg oder an anderen Orten im Stadtgebiet. Die Allgegenwart der Bilder wurde zum Markenzeichen der Veranstaltungskonzeption; in Schauen mit Titeln wie „Paradise“, „Traum“ und „Kreaturen“ wurden menschliche Gefühle, Sehnsüchte und Empfindungen in ihrer Vieldeutigkeit dargestellt und mit intellektuellen Diskursen verknüpft.
Hospiz
Die jährlichen „Arnoldshainer Hospiztage“ bieten eine Plattform für alle, die sich beruflich oder freiwillig mit den Themen Sterbebegleitung und Schmerztherapie befassen. Das Format fördert einerseits den Erfahrungsaustausch der Hospizbeschäftigten und regt andererseits die Öffentlichkeit zur Auseinandersetzung mit dem Tabuthema Tod an. Mit ihren Anfängen in den frühen 90er-Jahren sind die Hospiztage eng verknüpft mit der Hospizbewegung, die eine der erfolgreichsten und einflussreichsten Bürgerbewegungen der vergangenen Jahrzehnte ist.
Naturwissenschaften
Der Diskurs zwischen den Naturwissenschaften und der Theologie genoss seit den 90er-Jahren große Aufmerksamkeit an der Akademie Arnoldshain. Zentrale Diskussionspunkte im interdisziplinären Gespräch waren die Entstehung des Kosmos, die Religion nach Darwin, die Gentechnik und die Biologie, die Hirnforschung, die Gendiagnostik und die „globale Ethik“, Albert Einstein und die Frage nach der Zeit, die künstliche Intelligenz, die Entwicklung der Sprache und die evolutionären Ursprünge des Ich-Bewusstseins. Im Hinblick auf diese Themenbereiche offenbarte sich zur Wende des 21. Jahrhunderts ein Widerspruch zwischen dem bis dato vorherrschenden ethisch-moralischen Universalismus und dem neu aufgekommenen Pluralismus. Die Akademie sah und sieht ihre Aufgabe darin, den Dialog innerhalb dieses Spannungsfelds durch interdisziplinäre Veranstaltungen zu fördern und Spiritualität und wissenschaftliche Reflexion in einen Einklang zu bringen.
Bibel in gerechter Sprache
Das Verlangen nach einer Neuübersetzung der Bibel enstand in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts innerhalb der Befreiungstheologie, der Bewegung für die Geschlechtergerechtigkeit und des christlich-jüdischen Dialogs. Später entstand daraus das Projekt „Bibel in gerechter Sprache“, das von 2001 bis 2006 in Arnoldshain angesiedelt war. 40 Frauen und zwölf Männer fertigten eine komplette Neuübersetzung der biblischen Schriften an – in den Worten der beteiligten Theologin Ute Knie das „größte Reformationsprojekt des vergangenen Jahrhunderts“.
Gender
Leonore Siegele-Wenschkewitz, die erste Studienleiterin und spätere Akademiedirektorin in Arnoldshain, war eine Pionierin der feministischen Theologie. Eines der Hauptaugenmerke ihrer Arbeit richtete sich auf die Etablierung einer Frauenarbeit an der Akademie sowie insgesamt die Stärkung der weiblichen Lobby in Kirche, Theologie und Gesellschaft. Analog entwickelte sich in der Frankfurter Stadtakademie ab der Jahrtausendwende ein spielerisches „Queer-Denken“ in Verbindung mit Fragen der modernen Stadtentwicklung und der künstlerischen Auseinandersetzung mit Gegenwartsfragen. Das Projekt des Feminismus wie auch allgemeine Gleichstellungsdebatten in Bezug auf Frauen und LGBTQI-Personen wird in der heutigen Akademie durch den Arbeitskreis Gender weiter vorangetrieben.
Europa
Durch Schüleraustausche und das Erasmus-Programm interessieren sich heutzutage gerade Jugendliche für ihre europäischen Nachbarländer. Mit Formaten wie der „Schülerakademie Europa“ vermittelt ihnen die Akademie ein Grundlagenwissen über den Kulturraum Europa im Allgemeinen und die Institutionen der EU im Speziellen. Eine wichtige Methode hierbei ist das Peer-to-Peer-Learning: Die Schüler/innen dürfen ihre persönlichen Fragestellungen formulieren, sie bearbeiten und das Gelernte dann an Gleichaltrige weitergeben. Ein Lernen miteinander und füreinander, das um die zentrale Frage kreist: Was ist Europa für mich – und was für dich?
Umwelt- und Klimaschutz
Seit den 70er-Jahren, als die Umweltschutzbewegung laut wurde und die Bundesregierung das erste Umweltprogramm startete, integrierte auch die Akademie die Umweltproblematik in ihre Tagungsarbeit. 1974 veröffentlichte der ehemalige Akademiedirektor Hans Kallenbach sein Ansprache-Manuskript zur Tagung „Ökokrise – Krise des Geistes?“. In den 80er-Jahren fanden Veranstaltungen statt, in denen der Umweltschutz im Zusammenhang mit dem Arbeitsplatz, der Regionalplanung und der Stadtentwicklung beleuchtet wurde. Nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl 1986 standen die Probleme der Atomindustrie und weitere Perspektiven der Energiepolitik auf dem Programm. Wissenschaftler/innen aus Russland, Weißrussland und Deutschland, Vertreter/innen deutscher Ministerien und internationaler Behörden diskutierten über die Ursachen des Super-GAU und dessen Folgen.
In den 2000er-Jahren rückte der Klimawandel in den Fokus der Debatte. Epochale Themen wie erneuerbare Energien, Energiewende, nachhaltiges Wirtschaften und Klimaschutzpolitik schlagen sich seither im Programm ebenso nieder wie die Bewegung Fridays for Future oder der „Green New Deal“ der EU-Kommission.
Junge Akademie
Die Junge Akademie Frankfurt hat zum Ziel, das demokratische Engagement junger Menschen zu fördern. 30 Personen zwischen 18 und 30 Jahren erhalten jedes Jahr die Gelegenheit, als Stipendiat/innen der Akademie eigene politische, gesellschaftliche oder kulturelle Projekte umzusetzen. In der Umsetzung ihrer Ideen und ihrer Persönlichkeitsentwicklung werden sie von Mentor/innen wie Aktivist/innen und Poliitker/innen unterstützt. 2020 wurde die Junge Akademie mit dem Integrationspreis der Stadt Frankfurt ausgezeichnet.
Demokratie-Förderung
Dass alle gesellschaftlichen Akteur/innen eine Stimme haben und im öffentlichen Raum einbringen sollen, ist ein Anspruch, den die Akademie seit ihren Anfängen verfolgt. Ging es den Gründern unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst darum, die Bürger/innen allgemein für die Demokatie zu gewinnen, steht heute im Fokus, Demokratie angesichts einer um sich greifenden Vertrauenskrise immer wieder neu in innovativen Formaten und Räumen zu verankern und zu erproben. Ein Beispiel hierfür sind die Projekte, die von den Stipendiat/innen der Jungen Akademie angestoßen und umgesetzt werden. 2019 fand beispielsweise der erste Frankfurter Demokratiekonvent statt, ein Bürger/innenforum mit 50 ausgelosten Personen aus der Stadtgesellschaft, die über die Zukunft der Bürger/innenbeteiligung in Frankfurt diskutierten und dem Magistrat der Stadt ein entsprechendes Votum vorlegten.
Afrika
Martin Stöhrs Engagement für Afrika war seiner Zeit voraus. Auf einer Studienreise durch Kenia, Sambia und Malawi Anfang der 70er-Jahre hielt der spätere Akademiedirektor in seinen Notizen fest, eine Leitfrage der Reise sei die Suche „nach einer anderen, originelleren Kultur“ gewesen, die möglicherweise etwas leisten könne, wozu man in Europa kaum noch fähig sei, nämlich die „Integration von Tradition und Bewältigung der Zukunft, Integration von Menschen und technischer Welt nicht auf Kosten des Menschen, Integration von Politik und Moral“. Ähnlich heutigen Denker/innen wie Felwine Sarr antizipierte Stöhr eine plurale „Afrikanisierung“ beziehungsweise Identitätsstiftung Afrikas, die einen Abbau der Fremdbestimmung zugunsten eines Eintretens für Menschenwürde und Menschenrechte einschloss. Derlei Überlegungen waren Anfang der 70er-Jahre noch so ungewohnt, dass Stöhr eine umfangreiche Bildungsarbeit einforderte und auch Kritik auf sich zog.
Von Arnoldshain gingen im Lauf der Jahre immer wieder zukunftsgerichte Signale aus, die sich kritisch mit Kolonialismus, Rassismus und der südafrikanischen Apartheidspolitik auseinandersetzten. Gefordert wurden Maßnahmen hin zu mehr Frieden, sozialer Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung. War dieser Lernweg zunächst eng mit dem Konziliaren Prozess der internationalen Kirchen verknüpft, orientieren sich die heutigen Debatten in der Akademie häufig an den von den Vereinten Nationen ausgegebenen Zielen für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals). Immer wieder finden diese Veranstaltungen auch in Kooperation mit Gästen aus afrikanischen Staaten statt.
Frieden
Eines der vornehmlichen Ziele des späteren Akademiedirektors Martin Stöhr seit den 60er-Jahren war es, Kontakte zwischen ost- und westeuropäischen Christen in ihrem Bemühen um Entspannung zu stärken. Dieses Engagement auf dem Höhepunkt des Kalten Kriegs war nicht unumstritten – es wurde etwa kritisiert als „fast snobistische Abwertung der sogenannten freien Welt“. Doch die Akademie hielt an ihrer Linie fest. In den 80er-Jahren fanden Friedenstagungen und -wochen statt, in denen über die Abrüstung und den Nahostkonflikt diskutiert wurde. Der spätere Paradigmenwechsel hin zum Thema Sicherheitspolitik ist in der Gegenwart nach wie vor prägend, etwa mit der jährlichen Besprechung des Friedensgutachtens deutscher Friedensforschungsinstitute.
Recht
Ende der 80er-Jahre etablierte die Akademie den „Kleinen Arnoldshainer Familiengerichtstag“ – eine seither renommierte Veranstaltungsreihe für Richter/innen an Familiengerichten, Rechtsanwält/innen, Vertreter/innen der Jugendämter, Sachverständige und Verfahrensbeistände, Journalist/innen sowie weitere Gäste, die an familenrechtlichen Fragestellungen interessiert sind. Eine spezielle Bedeutung wird dem Familiengerichtstag 1988 zugemessen, auf dem einem größeren Fachpublikum alternative Konfliktregelungen durch Familienmediation zugänglich gemacht wurden.
Eine andere Dimension der Akademiearbeit im diesem Themenbereich war die Debatte um Entwicklung eines humanen Strafvollzugs. Von 1957 bis in die 90er-Jahre hinein fand in Arnoldshain regelmäßig eine Tagung für Strafvollzugbedienstete statt. Zudem befasste man sich mit der Resozialisierung von Strafgefangenen, eine in der Öffentlichkeit eher wenig beachtete Sozialarbeit. Einschläge Tagungen ab 1989 trugen Titel wie „Angemessenes Arbeitsentgeld – Notwendige Bedingung der Resozialisierung“ und boten Fachleuten sowie Akteur/innen der Straffälligenhilfe die Möglichkeit, komplexe Herauforderungen miteinander anzugehen.
Wirtschaft
Ökonomische Entwicklungen hängen unmittelbar mit dem Wertegerüst von Unternehmer/innen, Manager/innen, Finanzdienstleister/innen und Wirtschaftspolitiker/innen zusammen. Insofern haben Akademieveranstaltungen wie das „Wirtschaftspolitische Forum“, die sich beispielsweise mit der Rüstungsindustrie befassen, immer eine ausgeprägte ethische Komponente. Daneben spielen Fragen der gesellschaftlichen und globalen Vermögensverteilung eine Rolle – der Zusammenhang von Armut und Entwicklung wird im „Fernsehworkshop Entwicklungspolitik“ sogar rezeptionsästhetisch untersucht.
Angesichts ihres Standorts am Finanzplatz Frankfurt sucht die Akademie auch das Gespräch mit Banken und Finanzorganisationen, mit denen sie jährlich die „Fair Finance Week“ ausrichtet.
Förderverein
Die Akademie ist als Verein organisiert. Um sich ihre Unabhängigkeit zu erhalten, braucht sie engagierte Förderer/innen. Der Förderverein der Akademie ermöglicht mit Spenden und Mitgliedsbeiträgen solche Projekte und Veranstaltungen, die offen sind für alle und die über die Grenzen von Religion, Generation und Nation hinausgehen. Neue Mitglieder sind jederzeit herzlich willkommen.
Arnoldshain
Mitten im Taunus auf einem von Wald umgebenden Berghang liegt der kleine Ort, der der Evangelischen Akademie in Hessen und Nassau ihren langjährigen berühmten Namen gab: Arnoldshain. Ausgewählt haben soll diesen Standort niemand Geringerer als Martin Niemöller, der erste Kirchenpräsident der EKHN. Er verfolgte das Ziel, ein Rüstzeitenheim für Pfarrer innerhalb des Kirchengebiets zu errichten und dessen Räumlichkeiten zugleich für die Akademiearbeit nutzbar zu machen. Den Auftrag zur Gestaltung des Gebäudes enthielt der Darmstädter Architekt Theo Pabst, der die Kirchenleitung mit einem großzügigen, wohldurchdachten Entwurf überzeugte. Am 15. Juli 1954 konnte die Akademie ihre erste Tagung im neuen Haus durchführen; die offizielle Einweihung fand erst etwas später am 30. Oktober 1954 statt.
In den folgenden knapp 60 Jahren wurde Arnoldshain zur Chiffre für anspruchsvolle Seminararbeit und religiöse Einkehr. Der kleine Ort erlangte bundesweit Bekanntheit für die (Wochenend-)Tagungen in abgeschiedener, monastischer Atmosphäre, die man als Besucher/in der Akademie erleben konnte, wie auch für seine prominenten Gäste aus dem In- und Ausland. 2012 zog die Akademie nach Frankfurt um – es finden aber bis heute regelmäßig Tagungen im Gebäude in Arnoldshain statt, das mittlerweile den Namen „Tagungshaus Martin Niemöller“ trägt.
Sofa-Akademie
Die fusionierte Akademie Frankfurt gehörte ab 2013 zu den Einrichtungen, die sich früh auf das Internet einließen. Ein Schwerpunkt der internen Entwicklung liegt seither auf dem Aufbau einer „digitalen Akademie“, die sich sozialen Medien und neuen Kommunikationsformen nicht verschließt, sondern diese diskursiv einzubeziehen versucht. Seit 2020 werden die meisten Veranstaltungen, die im Akademiegebäude am Frankfurter Römerberg stattfinden, live im Netz gestreamt. Aus der digitalen Akademie wird so eine „Sofa-Akademie“, die man vom eigenen Wohnzimmer aus erleben und mitgestalten kann.
Arnoldshain
Mitten im Taunus auf einem von Wald umgebenden Berghang liegt der kleine Ort, der der Evangelischen Akademie in Hessen und Nassau ihren langjährigen berühmten Namen gab: Arnoldshain. Ausgewählt haben soll diesen Standort niemand Geringerer als Martin Niemöller, der erste Kirchenpräsident der EKHN. Er verfolgte das Ziel, ein Rüstzeitenheim für Pfarrer innerhalb des Kirchengebiets zu errichten und dessen Räumlichkeiten zugleich für die Akademiearbeit nutzbar zu machen. Den Auftrag zur Gestaltung des Gebäudes enthielt der Darmstädter Architekt Theo Pabst, der die Kirchenleitung mit einem großzügigen, wohldurchdachten Entwurf überzeugte. Am 15. Juli 1954 konnte die Akademie ihre erste Tagung im neuen Haus durchführen; die offizielle Einweihung fand erst etwas später am 30. Oktober 1954 statt.
In den folgenden knapp 60 Jahren wurde Arnoldshain zur Chiffre für anspruchsvolle Seminararbeit und religiöse Einkehr. Der kleine Ort erlangte bundesweit Bekanntheit für die (Wochenend-)Tagungen in abgeschiedener, monastischer Atmosphäre, die man als Besucher/in der Akademie erleben konnte, wie auch für seine prominenten Gäste aus dem In- und Ausland. 2012 zog die Akademie nach Frankfurt um – es finden aber bis heute regelmäßig Tagungen im Gebäude in Arnoldshain statt, das mittlerweile den Namen „Tagungshaus Martin Niemöller“ trägt.
Abendmahl
Bis 1973 war es Lutheraner/innen und Mitgliedern der reformierten sowie unierten Kirchen nicht erlaubt, miteinander Abendmahl zu feiern. Zwischen den unterschiedlichen Theologien der Glaubensgemeinschaften schienen unüberbrückbare Gräben zu bestehen. Ein wichtiger Meilenstein hin auf dem Weg zu einem gemeinsamen evangelischen Abendmahl waren die „Arnoldshainer Abendmahlsthesen“, ausgearbeitet auf einer Konferenz in den Räumlichkeiten der Akademie im Jahr 1957. Die theologische Kompromissformel, die hier ersonnen wurde, brauchte einige Zeit, um sich durchzusetzen – wurde schließlich aber von allen evangelischen Kirchen in Europa akzeptiert.
Interreligiöser Dialog
Die Beziehungen zwischen den christlichen Kirchen und dem Judentum waren nach dem Zweiten Weltkrieg nicht einfach: Beiden Kirchen wurde vorgeworfen, während der Zeit des Nationalsozialismus zu wenig Widerstand gegen die systematische Vernichtung von Jüdinnen und Juden geleistet zu haben. 1950 gestand sich die protestantische Kirche eine Mitschuld an den nationalsozialistischen Verbrechen ein und legte ein „verbindliches Schuldbekenntnis der Christen gegenüber dem Judentum“ ab. Die Evangelischen Akademien gehörten zu den Ersten, die für das christlich-jüdische Verhältnis sensibilisierten und es ins Zentrum der Tagungsarbeit rückten.
In Hessen und Nassau wurde 1949 die erste Tagung zum Thema Antisemitismus von Hans Kallenbach geleitet. Im späteren Akademiegebäude in Arnoldshain fanden christlich-jüdische Pfingstreffen statt, bei dem Theolog/innen der unterschiedlichen Religionsgemeinschaften zusammenkamen. In den 70er-Jahren trug der Theologe und Soziologe Martin Stöhr zur Neubestimmung der christlich-jüdischen Beziehungen bei. Er positionierte sich gegen die Idee der „Judenmission“ und unterstrich den gleichberechtigten Status des Judentums. Diese Tradition wurde von den folgenden Direktor/innen der Akademie fortgeführt. Leonore Siegele-Wenschkewitz erweiterte den Dialog in den 80er-Jahren explizit um weibliche und feministische Stimmen.
Die Frankfurter Stadtakademie setzte sich ebenfalls für den christlich-jüdischen Dialog ein. Im „Trialog der Religionen“ holte sie in den 90er-Jahren zudem Vertreter/innen des islamischen Glaubens mit an den Tisch. Die Veranstaltungsreihe wird in der heutigen Akademie fortgeführt – in der Reihe „Heilige Texte“ sprechen Angehörige der drei Religionsgemeinschaften über ihre heiligen Schriften und über das Verhältnis von Religion und Politik.
Film
Bewegte Bilder prägen seit der Erfindung des Films die gesellschaftliche wie individuelle Rezeption von Wirklichkeit. Hatte sich die Kiche angesichts der Art und Weise, mit der die Nationalsozialisten das Kino missbraucht hatten, zunächst skeptisch gegenüber dem Medium positioniert, wurde die Beschäftigung mit dem Kino nach dem Zweiten Weltkrieg dennoch von vielen evangelischen Intellektuellen unterstützt und vorangetrieben. Hans Kallenbach, der erste Akademiedirektor, war Mitbegründer der Evangelischen Filmgilde, und schon im Jahr 1950 fand die erste explizite Filmtagung der damals noch nicht in Arnoldshain angesiedelten Akademie statt. Später entstand daraus die Jahrestagung der Evangelischen Filmarbeit.
Mit der Einrichtung des Arbeitskreises Film, Ästhetik und Kommunikation erhielt der Film ab den frühen 80er-Jahren einen festen Platz in der Akademiearbeit. Im Rahmen der von 1984 bis 2011 jährlich stattfindenden „Arnoldshainer Filmgespräche“ wurden die Künste des Kinos unter einem interdisizplinären und systematischen Anspruch behandelt. In der heutigen Akademie ist Filmarbeit weiterhin im Veranstaltungsprogramm verankert, etwa mit den Veranstaltungen zum „Film des Monats“ und „Film des Jahres“, den die Evangelische Filmjury kürt.
Wort-Bild-Dialog
Mit dem Wort-Bild-Dialog wollte die Frankfurter Stadtakademie Römer 9 alternative Formen der Wahrnehmung ansprechen. Von 2006 bis 2019 wurde regelmäßig zu Kunstausstellungen, Installationen und Performances eingeladen – auf dem Römerberg oder an anderen Orten im Stadtgebiet. Die Allgegenwart der Bilder wurde zum Markenzeichen der Veranstaltungskonzeption; in Schauen mit Titeln wie „Paradise“, „Traum“ und „Kreaturen“ wurden menschliche Gefühle, Sehnsüchte und Empfindungen in ihrer Vieldeutigkeit dargestellt und mit intellektuellen Diskursen verknüpft.
Naturwissenschaften
Der Diskurs zwischen den Naturwissenschaften und der Theologie genoss seit den 90er-Jahren große Aufmerksamkeit an der Akademie Arnoldshain. Zentrale Diskussionspunkte im interdisziplinären Gespräch waren die Entstehung des Kosmos, die Religion nach Darwin, die Gentechnik und die Biologie, die Hirnforschung, die Gendiagnostik und die „globale Ethik“, Albert Einstein und die Frage nach der Zeit, die künstliche Intelligenz, die Entwicklung der Sprache und die evolutionären Ursprünge des Ich-Bewusstseins. Im Hinblick auf diese Themenbereiche offenbarte sich zur Wende des 21. Jahrhunderts ein Widerspruch zwischen dem bis dato vorherrschenden ethisch-moralischen Universalismus und dem neu aufgekommenen Pluralismus. Die Akademie sah und sieht ihre Aufgabe darin, den Dialog innerhalb dieses Spannungsfelds durch interdisziplinäre Veranstaltungen zu fördern und Spiritualität und wissenschaftliche Reflexion in einen Einklang zu bringen.
Hospiz
Die jährlichen „Arnoldshainer Hospiztage“ bieten eine Plattform für alle, die sich beruflich oder freiwillig mit den Themen Sterbebegleitung und Schmerztherapie befassen. Das Format fördert einerseits den Erfahrungsaustausch der Hospizbeschäftigten und regt andererseits die Öffentlichkeit zur Auseinandersetzung mit dem Tabuthema Tod an. Mit ihren Anfängen in den frühen 90er-Jahren sind die Hospiztage eng verknüpft mit der Hospizbewegung, die eine der erfolgreichsten und einflussreichsten Bürgerbewegungen der vergangenen Jahrzehnte ist.
Bibel in gerechter Sprache
Das Verlangen nach einer Neuübersetzung der Bibel enstand in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts innerhalb der Befreiungstheologie, der Bewegung für die Geschlechtergerechtigkeit und des christlich-jüdischen Dialogs. Später entstand daraus das Projekt „Bibel in gerechter Sprache“, das von 2001 bis 2006 in Arnoldshain angesiedelt war. 40 Frauen und zwölf Männer fertigten eine komplette Neuübersetzung der biblischen Schriften an – in den Worten der beteiligten Theologin Ute Knie das „größte Reformationsprojekt des vergangenen Jahrhunderts“.
Gender
Leonore Siegele-Wenschkewitz, die erste Studienleiterin und spätere Akademiedirektorin in Arnoldshain, war eine Pionierin der feministischen Theologie. Eines der Hauptaugenmerke ihrer Arbeit richtete sich auf die Etablierung einer Frauenarbeit an der Akademie sowie insgesamt die Stärkung der weiblichen Lobby in Kirche, Theologie und Gesellschaft. Analog entwickelte sich in der Frankfurter Stadtakademie ab der Jahrtausendwende ein spielerisches „Queer-Denken“ in Verbindung mit Fragen der modernen Stadtentwicklung und der künstlerischen Auseinandersetzung mit Gegenwartsfragen. Das Projekt des Feminismus wie auch allgemeine Gleichstellungsdebatten in Bezug auf Frauen und LGBTQI-Personen wird in der heutigen Akademie durch den Arbeitskreis Gender weiter vorangetrieben.
Wirtschaft
Ökonomische Entwicklungen hängen unmittelbar mit dem Wertegerüst von Unternehmer/innen, Manager/innen, Finanzdienstleister/innen und Wirtschaftspolitiker/innen zusammen. Insofern haben Akademieveranstaltungen wie das „Wirtschaftspolitische Forum“, die sich beispielsweise mit der Rüstungsindustrie befassen, immer eine ausgeprägte ethische Komponente. Daneben spielen Fragen der gesellschaftlichen und globalen Vermögensverteilung eine Rolle – der Zusammenhang von Armut und Entwicklung wird im „Fernsehworkshop Entwicklungspolitik“ sogar rezeptionsästhetisch untersucht.
Angesichts ihres Standorts am Finanzplatz Frankfurt sucht die Akademie auch das Gespräch mit Banken und Finanzorganisationen, mit denen sie jährlich die „Fair Finance Week“ ausrichtet.
Recht
Ende der 80er-Jahre etablierte die Akademie den „Kleinen Arnoldshainer Familiengerichtstag“ – eine seither renommierte Veranstaltungsreihe für Richter/innen an Familiengerichten, Rechtsanwält/innen, Vertreter/innen der Jugendämter, Sachverständige und Verfahrensbeistände, Journalist/innen sowie weitere Gäste, die an familenrechtlichen Fragestellungen interessiert sind. Eine spezielle Bedeutung wird dem Familiengerichtstag 1988 zugemessen, auf dem einem größeren Fachpublikum alternative Konfliktregelungen durch Familienmediation zugänglich gemacht wurden.
Eine andere Dimension der Akademiearbeit im diesem Themenbereich war die Debatte um Entwicklung eines humanen Strafvollzugs. Von 1957 bis in die 90er-Jahre hinein fand in Arnoldshain regelmäßig eine Tagung für Strafvollzugbedienstete statt. Zudem befasste man sich mit der Resozialisierung von Strafgefangenen, eine in der Öffentlichkeit eher wenig beachtete Sozialarbeit. Einschläge Tagungen ab 1989 trugen Titel wie „Angemessenes Arbeitsentgeld – Notwendige Bedingung der Resozialisierung“ und boten Fachleuten sowie Akteur/innen der Straffälligenhilfe die Möglichkeit, komplexe Herauforderungen miteinander anzugehen.
Afrika
Martin Stöhrs Engagement für Afrika war seiner Zeit voraus. Auf einer Studienreise durch Kenia, Sambia und Malawi Anfang der 70er-Jahre hielt der spätere Akademiedirektor in seinen Notizen fest, eine Leitfrage der Reise sei die Suche „nach einer anderen, originelleren Kultur“ gewesen, die möglicherweise etwas leisten könne, wozu man in Europa kaum noch fähig sei, nämlich die „Integration von Tradition und Bewältigung der Zukunft, Integration von Menschen und technischer Welt nicht auf Kosten des Menschen, Integration von Politik und Moral“. Ähnlich heutigen Denker/innen wie Felwine Sarr antizipierte Stöhr eine plurale „Afrikanisierung“ beziehungsweise Identitätsstiftung Afrikas, die einen Abbau der Fremdbestimmung zugunsten eines Eintretens für Menschenwürde und Menschenrechte einschloss. Derlei Überlegungen waren Anfang der 70er-Jahre noch so ungewohnt, dass Stöhr eine umfangreiche Bildungsarbeit einforderte und auch Kritik auf sich zog.
Von Arnoldshain gingen im Lauf der Jahre immer wieder zukunftsgerichte Signale aus, die sich kritisch mit Kolonialismus, Rassismus und der südafrikanischen Apartheidspolitik auseinandersetzten. Gefordert wurden Maßnahmen hin zu mehr Frieden, sozialer Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung. War dieser Lernweg zunächst eng mit dem Konziliaren Prozess der internationalen Kirchen verknüpft, orientieren sich die heutigen Debatten in der Akademie häufig an den von den Vereinten Nationen ausgegebenen Zielen für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals). Immer wieder finden diese Veranstaltungen auch in Kooperation mit Gästen aus afrikanischen Staaten statt.
Förderverein
Die Akademie ist als Verein organisiert. Um sich ihre Unabhängigkeit zu erhalten, braucht sie engagierte Förderer/innen. Der Förderverein der Akademie ermöglicht mit Spenden und Mitgliedsbeiträgen solche Projekte und Veranstaltungen, die offen sind für alle und die über die Grenzen von Religion, Generation und Nation hinausgehen. Neue Mitglieder sind jederzeit herzlich willkommen.
Junge Akademie
Die Junge Akademie Frankfurt hat zum Ziel, das demokratische Engagement junger Menschen zu fördern. 30 Personen zwischen 18 und 30 Jahren erhalten jedes Jahr die Gelegenheit, als Stipendiat/innen der Akademie eigene politische, gesellschaftliche oder kulturelle Projekte umzusetzen. In der Umsetzung ihrer Ideen und ihrer Persönlichkeitsentwicklung werden sie von Mentor/innen wie Aktivist/innen und Poliitker/innen unterstützt. 2020 wurde die Junge Akademie mit dem Integrationspreis der Stadt Frankfurt ausgezeichnet.
Demokratie-Förderung
Dass alle gesellschaftlichen Akteur/innen eine Stimme haben und im öffentlichen Raum einbringen sollen, ist ein Anspruch, den die Akademie seit ihren Anfängen verfolgt. Ging es den Gründern unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst darum, die Bürger/innen allgemein für die Demokatie zu gewinnen, steht heute im Fokus, Demokratie angesichts einer um sich greifenden Vertrauenskrise immer wieder neu in innovativen Formaten und Räumen zu verankern und zu erproben. Ein Beispiel hierfür sind die Projekte, die von den Stipendiat/innen der Jungen Akademie angestoßen und umgesetzt werden. 2019 fand beispielsweise der erste Frankfurter Demokratiekonvent statt, ein Bürger/innenforum mit 50 ausgelosten Personen aus der Stadtgesellschaft, die über die Zukunft der Bürger/innenbeteiligung in Frankfurt diskutierten und dem Magistrat der Stadt ein entsprechendes Votum vorlegten.
Sofa-Akademie
Die fusionierte Akademie Frankfurt gehörte ab 2013 zu den Einrichtungen, die sich früh auf das Internet einließen. Ein Schwerpunkt der internen Entwicklung liegt seither auf dem Aufbau einer „digitalen Akademie“, die sich sozialen Medien und neuen Kommunikationsformen nicht verschließt, sondern diese diskursiv einzubeziehen versucht. Seit 2020 werden die meisten Veranstaltungen, die im Akademiegebäude am Frankfurter Römerberg stattfinden, live im Netz gestreamt. Aus der digitalen Akademie wird so eine „Sofa-Akademie“, die man vom eigenen Wohnzimmer aus erleben und mitgestalten kann.
Umwelt- und Klimaschutz
Seit den 70er-Jahren, als die Umweltschutzbewegung laut wurde und die Bundesregierung das erste Umweltprogramm startete, integrierte auch die Akademie die Umweltproblematik in ihre Tagungsarbeit. 1974 veröffentlichte der ehemalige Akademiedirektor Hans Kallenbach sein Ansprache-Manuskript zur Tagung „Ökokrise – Krise des Geistes?“. In den 80er-Jahren fanden Veranstaltungen statt, in denen der Umweltschutz im Zusammenhang mit dem Arbeitsplatz, der Regionalplanung und der Stadtentwicklung beleuchtet wurde. Nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl 1986 standen die Probleme der Atomindustrie und weitere Perspektiven der Energiepolitik auf dem Programm. Wissenschaftler/innen aus Russland, Weißrussland und Deutschland, Vertreter/innen deutscher Ministerien und internationaler Behörden diskutierten über die Ursachen des Super-GAU und dessen Folgen.
In den 2000er-Jahren rückte der Klimawandel in den Fokus der Debatte. Epochale Themen wie erneuerbare Energien, Energiewende, nachhaltiges Wirtschaften und Klimaschutzpolitik schlagen sich seither im Programm ebenso nieder wie die Bewegung Fridays for Future oder der „Green New Deal“ der EU-Kommission.
Europa
Durch Schüleraustausche und das Erasmus-Programm interessieren sich heutzutage gerade Jugendliche für ihre europäischen Nachbarländer. Mit Formaten wie der „Schülerakademie Europa“ vermittelt ihnen die Akademie ein Grundlagenwissen über den Kulturraum Europa im Allgemeinen und die Institutionen der EU im Speziellen. Eine wichtige Methode hierbei ist das Peer-to-Peer-Learning: Die Schüler/innen dürfen ihre persönlichen Fragestellungen formulieren, sie bearbeiten und das Gelernte dann an Gleichaltrige weitergeben. Ein Lernen miteinander und füreinander, das um die zentrale Frage kreist: Was ist Europa für mich – und was für dich?
Illustration: Sabine Kranz Recherche: Anna Ihnatenko
Die Evangelische Akademie ist ein Ort der Aufklärung im Interesse einer menschlichen Zukunft.
Grußworte zum Jubiläum
Als Besucherin, Mitglied im Großen Konvent und seit 2018 im Kleinen Konvent bin ich seit 7.5 Jahren akademiebegeistert. Daher für jedes Jahrzehnt ein Grund für meine Begeisterung:
1. Weil die Akademie ein gutes Gespür hat für wichtige Themen der Zeit
2. Weil sie dazu einen Diskurs aus verschiedenen Richtungen ermöglicht
3. Weil sie mich dadurch zum Weiterdenken anregt und verschiedene Perspektiven sehen lässt
4. Weil ich dort interessante Menschen treffe und mit ihnen ins Gespräch komme
5. Weil die Akademie eine wichtige evangelische Stimme in viele gesellschaftliche Debatten bringt …
6. … und so auch kirchenferne Menschen erreicht
7. Weil sie immer wieder innovativ vorn dran ist – zum Beispiel beim schnellen Umstieg auf digitale Formate
7.5 Weil ich das Team sehr schätze und einfach gern in diesen wunderschönen Räumen bin
Herzlichen Glückwunsch, liebe Evangelische Akademie, zum 75. Jubiläum! Danke für 75 Jahre wertvolle, engagierte Arbeit und Gottes Segen für alles, was kommt!
Birgit Arndt
Geschäftsführerin Evangelisches Medienhaus
Mitglied Kleiner und Großer Konvent
Der Akademie bin ich seit Jahren verbunden. Sie versammelt Menschen, die gemeinsam fragen, wohin der Weg unserer Kirche, unseres Glaubens, unserer Gesellschaft und auch der Weg der Ortsgemeinden gehen kann. Sie ist verknüpft mit dem Fachbereich Evangelische Theologie der Goethe-Universität Frankfurt und hat Ansehen und Autorität, um die richtigen Persönlichkeiten in ihre Fragen einzubinden. Ihre Stimme wird in der Frankfurter Stadtgesellschaft und weit darüber hinaus gehört. Ihr Gebäude am Römerberg gibt der Akademie einen architektonisch gelungenen Platz im Herzen der Stadt.
Dr. Christoph Bark
Warum sind wir Mitglieder? Warum fühlen wir uns verbunden? Ganz einfach – und doch auch ganz schwierig in Worte zu fassen!
Themen zu diskutieren und von unterschiedlichsten Seiten zu betrachten, in einen konstruktiven Dialog zu treten, angemessen um Wahrheiten zu ringen, überzeugt für eine Sache einzutreten und begründet dafür sich einzusetzen – das macht für uns die Arbeit der Evangelischen Akademie aus.
Die Menschen, allen voran Thorsten Latzel, aber genauso jede und jeder andere Mitarbeitende, „kommen immer authentisch rüber“, was man von vielen anderen Diskutanten oder Mitarbeitenden andernorts nicht durchweg behaupten kann.
Praktisch an dieser tollen Arbeit ist es, wenn man in Sachsenhausen wohnt, dass man mit dem Rad schnell mal vorbeifahren, bequem mit dem Bus kommen kann oder auch digitale Möglichkeiten zur Teilnahme hat, wenn man im Couch-Potato-Modus ist oder gerade eine Pandemie herrscht.
Die drei Gedanken sind nicht priorisierend gemeint, alle zusammen machen die Atmosphäre des Hauses aus!
Detlef Baßin & Doris Gabriel-Baßin
Evangelische Französisch-reformierte Gemeinde
Mitglieder Förderverein Evangelische Akademie Frankfurt
Zwei wesentliche Aspekte fallen mir ein, wenn ich über mein Verhältnis zur Evangelischen Akademie nachdenke: die Menschen und das Programm.
Die Menschen, ob Leitungspersönlichkeiten, Studienleiter/innen oder Teilnehmer/innen der Jungen Akademie, haben mich (ex-katholisch, seit 35 Jahren konfessionslos) stets überzeugt. Immer war und ist der Austausch substanziell, anregend und freundlich.
Das Programm ergänzt diesen Eindruck: Mit Offenheit und Neugierde werden hier relevante und aktuelle gesellschaftliche Themen auf eine unaufgeregte, aber zielgerichtete Art bearbeitet und verhandelt.
Die Evangelische Akademie Frankfurt ist für mich ein Ort, der einen für sich einnimmt, und eine Institution, die einen mitnimmt.
Andrea von Bethmann
Mitglied Förderverein Evangelische Akademie Frankfurt
Meine erste Begegnung mit Theologinnen und Theologen, die zur Akademie in den Großen und dann in den Kleinen Konvent geführt hat, war vor 15 Jahren, als ich als frisch gebackene Diplom-Physikerin eine Besuchergruppe von Pfarrer/innen durch den GSI-Teilchenbeschleuniger in Darmstadt geführt habe. Die Lust am intensiven Austausch über existenzielle Fragen und die Offenheit gegenüber verschiedenen Weltzugängen haben mich stark beeindruckt. Die Akademie ist ein Ort, an dem diese Gespräche und Begegnungen ein Zuhause haben. Anders als an der Universität, wo ich mittlerweile als Philosophin arbeite, richtet sich das Angebot an die breite Öffentlichkeit. Ich freue mich, an dieser Brücke zwischen Wissenschaft und Stadtgesellschaft mitzubauen. Nicht zuletzt berührt mich der Geist des Glaubens, dem ich an der Akademie in immer neuen Formen und oft unerwartet begegne.
Dr. Claudia Blöser
Goethe-Universität Frankfurt
Mitglied Kleiner und Großer Konvent
Akademiearbeit ist immer eine Zeitansage. Sie wird geprägt von den Gegenwartsthemen. Mitunter führt die Zeitansage an Punkte, die schmerzhaft sind – gesellschaftlich, persönlich und geistlich. In besonderen Momenten setzt sie Akademie Themen. Als Student hat mich die Akademie in den 1980er-Jahren für den christlich-jüdischen Dialog begeistert und den Geist erweitert. War es zunächst die Aufarbeitung der NS-Zeit und die Verstrickung der Kirche in Antisemitismus und Antijudaismus, die mich gesellschaftlich und kirchlich umtrieb, so faszinierte mich in der Studienzeit der neue Blick auf die gemeinsamen biblischen Schriften. Das Vertraute wurde fremd und am Ende eines langen geistlichen Weges doch wieder die eigene Glaubensquelle. Die Erweiterung des Grundartikels 1991 der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau mit seiner Neuausrichtung zum Judentum und dessen bleibender Erwählung wurde in der Akademie angedacht und von der Kirchensynode durchbuchstabiert. In den 2000er-Jahren wurde der christlich-jüdische Dialog um den christlich-islamischen Dialog ergänzt, heute wird er um einen Dialog der Religionen erweitert. Die Vielfalt prägt unsere Gesellschaft und die Akademiearbeit. Die Konzentration auf biblische Texte vermisse ich mitunter. Aber erste Anfänge zur Wiederentdeckung sind gemacht. Das Format „Heilige Texte“ greift diese Intention auf – auch digital.
OKR Pfarrer Jens Böhm
Evangelische Kirche in Hessen und Nassau
Mitglied Kleiner und Großer Konvent
Meine Beziehungen zur Evangelischen Akademie gehen bis in die 80er-Jahre zurück. Das Tagungsangebot fand mein Interesse, und ich konnte viele Anregungen in meine Arbeit als Redakteurin im Bildungsprogramm des Hessischen Rundfunks (Hörfunk) mitnehmen.
Dr. Leonore Siegele-Wenschkewitz, die seit 1983 als Studienleiterin an der Akademie in Arnoldshain arbeitete und 1996 die Leitung des Hauses übernahm, motivierte mich, für den Vorstand zu kandidieren, dem ich etliche Jahre angehörte.
Es waren bewegte Zeiten damals, denn etliche Gremienmitglieder und Freunde der Akademie taten sich doch recht schwer, eine Frau, noch dazu eine durchaus streitbare, als Führungskraft zu akzeptieren. Der damalige Vorsitzende der Konvente, der Wiesbadener Probst Friedrich Weber, hatte viel auszugleichen. Meine Hoffnung ist, dass solche Vorbehalte endgültig der Vergangenheit angehören.
Ich freue mich auch darüber, dass der Akademie der Umzug von der Arnoldshainer Idylle auf den Frankfurter Römerberg so gut bekommen ist.
Die Evangelische Akademie spielt eine aktive Rolle im Frankfurter Bildungsangebot. Sie öffnet Horizonte und leistet ihren Beitrag zur Standortbestimmung des Protestantismus in Deutschland.
Gisela Brackert
eh. Mitglied Kleiner und Großer Konvent
Von Anfang an begleite ich die Evangelische Akademie Frankfurt mit Empathie. Im Vorstand des Evangelischen Regionalverbands habe ich über Konzept, Finanzierung, Neubau mitberaten und mitentschieden. Ich wirke mit im Großen Konvent, im Arbeitskreis Frieden und Konflikt, bin auch viel als einfacher Teilnehmer dabei.
Ich sehe die Akademie als Zeugnis für Kirche, die in die Gesellschaft ausstrahlt und die Demokratie stärkt. So, wie ich politische Bildung schon immer verstehe: dass nicht „Institutionen“ Selbstzwecke sind, sondern dass es darauf ankommt, wie Menschen in ihnen denken und handeln, einzeln, gemeinsam, für andere. Neben analytischem und strategischem Denken in Strukturen und Prozessen kommt es doch immer auch auf die Haltung des Einzelnen an, seinen Charakter, seine innere Stärke. Lernen und Herausbildung von Grundhaltungen aber geht immer nur durch die Köpfe und Herzen der einzelnen Menschen hindurch. Das sagt sogar Karl Marx. Deshalb von einem, der im 75. Lebensjahr steht, ein dickes Lob für die Junge Akademie.
Wolf Gunter Brügmann-Friedeborn
Mitglied Großer Konvent
75 Jahre akademiebegeistert. Darf ich was dichten? Wer weiß das. Jedenfalls hat’s damit mit einem Platz für die Junge Akademie geklappt. 2019 war das, vor Corona, wie krass. Kaum noch vorstellbar: alle in einem Raum, im Panoramasaal, ohne Maske – ein Traum. Dankbar schaue ich auf die Zeit zurück. Viele besondere Erlebnisse, tolle Menschen, echtes Glück. Stundenlang haben die Köpfe geraucht, einige Kaffeepausen gebraucht. Gelacht, diskutiert und auch mal gerungen, immer frei und ungezwungen. Wissenschaftler, Politiker und Aktivisten, bei einigen Geschichten kamen wir ganz schön ins Schwitzen. Angefeindet für demokratisches Handeln? Wir möchten unsere Gesellschaft wandeln. Junge Leute begeistern für den Diskurs, machen wir’s kurz: Schön war’s, die Zeit. Ich bin jederzeit wieder bereit. Es hieß, die Akademie sei eine Familie, wir seien viele. Schön zu wissen. Was uns eint, sind die Ziele. Fair sein, miteinander reden, gemeinsam etwas bewegen. Und da bin ich auch schon wieder auf dem Sprung: bis zum nächsten Mal im Herzen von Frankfurt. Wir sehen uns dort.
Carina Dobra
Freie Journalistin
eh. Stipendiatin Junge Akademie
Ich erlebe das, was in der Akademie geschieht – die Vorträge, den Austausch, die Seminare, aber ganz besonders die theologischen Impulse – als Christentum mit Weltverantwortung. Genau so muss Christentum daherkommen.
Sophie Eckert
Arnoldshain war der Ort und die Chiffre, wo für mich alles begann – die ersten Tagungen, für die ich ein ganzes Wochenende eingeplant habe, die guten Gespräche mit anderen Teilnehmenden und Referent/innen, die entspannte und von Geschichte getränkte Atmosphäre im Taunus. Akademie, das war Arnoldshain.
Und dann die Debatte um eine Zusammenlegung mit der Schwester-Akademie in Hofgeismar, die Wahrnehmung der guten Arbeit der Evangelischen Stadtakademie Römer 9, schließlich die gelungene Fusion der Akademie Arnoldshain mit Römer 9 zur Evangelischen Akademie Frankfurt. Der Neubau des Akademiegebäudes am Römerberg und der fulminante Start der neuen Akademie – all das habe ich als Mitglied zunächst des Großen, dann viele Jahre als Mitglied des Kleinen Konvents der Akademie miterlebt und mitgestaltet.
Heute bin ich stolz auf diese Akademie mitten im Leben der Stadt Frankfurt. Ich wünsche allen haupt- und nebenamtlich Arbeitenden an der Akademie weiterhin Erfolg, Anerkennung und Unterstützung in Kirche und Zivilgesellschaft.
Renate Ehlers
Mitglied Großer Konvent
Als ehemalige Mitarbeiterin der Evangelischen Akademie Bad Boll ist mir die Tagungsarbeit und die Begegnung unterschiedlicher Menschen wichtig. So habe ich auch in Arnoldshain an Jugendtagungen mitgewirkt und den Austausch zwischen „schwäbischen und hessischen Jugendlichen“ mit vielen kreativen Elementen mit ermöglicht. Auch Frauentagungen und Dialogtagungen von Kirche und Sport habe ich mitgestaltet. Ich habe viele Menschen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen kennengelernt und wichtige Denkanstöße bekommen. Auch in Zeiten von täglichen Talkshows und nun auch coronabedingt gestreamten Veranstaltungen ist für mich der persönliche Austausch unersetzlich.
Die Stadtakademie in Frankfurt war jahrelang meine persönliche Gemeinde … Wunderbare Veranstaltungen, auch mit abgedrehten und abseitigen Themen, haben mich amüsiert und begeistert, Abendmahlsfeiern mit Grüner Soße und anderen Köstlichkeiten waren ein spirituelles Erlebnis. Zu meinen persönlichen Highlights gehören die Filmtagungen – unvergessen die israelischen Filme „Balagan“ und „Life According to Agfa“. Und als früheres Mitglied der Evangelischen Filmjury freue ich mich besonders, dass nun auch wieder die „Filme des Monats“ in Kooperation mit dem Mal Seh’n Kino in Frankfurt gezeigt und mit kompetenten Fachleuten aus der Kinowelt diskutiert werden.
Und immer wenn ich aus dem Historischen Museum auf die Akademie auf dem Römerberg schaue, freue ich mich, dass es gelungen ist, die alte Theologische Zentralbibliothek in ein architektonisches Schmuckstück zu verwandeln, das ich gern anschaue und auch besuche, zum Beispiel beim Empfang zur Johannisnacht und den wunderbaren Präsentationen im Pecha-Kucha-Format.
Ich hoffe und wünsche, dass die Mitarbeitenden in der Akademie weiterhin aktuelle politische, gesellschaftliche und theologische Fragen aufgreifen und zu einem lebenswerten und spannenden Frankfurt beitragen.
Gerhild Frasch
Mitglied Förderverein Evangelische Akademie Frankfurt
Evangelische Akademie basiert auf persönlicher Begegnung. Das habe ich als Student in der Evangelischen Akademie in Hessen und Nassau lernen können und müssen. Ich wollte über einen spezifischen Aspekt der Akademiearbeit in der Nachkriegszeit eine Seminararbeit schreiben, und mein Gesprächspartner war ernsthaft entrüstet: „Sie wollen über Akademien schreiben und haben noch nie an einer Akademietagung teilgenommen?“ Binnen 24 Stunden hatte ich eine (kostenlose!) Anmeldung erhalten, den Weg in den Arnoldshainer Wald gefunden und weitere 48 Stunden später Kontakte geknüpft, die bis heute halten.
Von Altenkirchen und Arnoldshain über Bad Boll und Bad Herrenalb, Berlin, Hermannstadt, Iserlohn, Loccum, Tutzing bis Villigst und Wien, von der Teilnahme an Tagungen und der Übernahme von Verantwortung im Großen Konvent und als Mentor der Jungen Akademie – als Begegnungsort von kompetenten Kolleg/innen und engagierten Gästen war und ist die Evangelische Akademie für mich ein geschützter Raum des Denkens und Begegnens mit der Herausforderung, die Frucht dieses Denkens gestärkt in den Alltag zu tragen.
Alexander Gemeinhardt
Direktor Schader-Stiftung
Mitglied Großer Konvent
Es gibt Grund genug, 75 Jahre akademiebegeistert zu sein. Zum Beispiel weil die Evangelische Akademie Frankfurt gelungen zusammengewachsen ist aus der Fusion zweier Akademien ganz unterschiedlicher Tradition – Arnoldshain und Römer 9. Oder weil sie auch mit Ü-70 noch eine Junge Akademie aus der Taufe gehoben hat. Oder weil sie mit dem neuen Gebäude am Römer viele neue Impulse in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, in Frankfurt und weit darüber hinaus setzen kann und dies auch bereits tut. Oder weil ein engagiertes Team in der Akademie in den vergangenen Jahren viel geschafft hat – und, wie mir scheint, Lust auf noch mehr hat. Oder, oder, oder … Deshalb bin ich mit Kopf und Herz akademiebegeistert.
Hauke Gerlof
Mitglied Großer Konvent
Die Gründung Evangelischer Akademien war die vielleicht wichtigste Innovation, die der deutsche Protestantismus nach dem Zweiten Weltkrieg initiierte. Marktplätze der Geistesfreiheit zu schaffen für die Zivil- und Bürgergesellschaft, Räume für eine Debattenkultur, die in die Tiefe geht und alle Facetten eines Themas reflektiert. Inspirationsorte in den Regionen mit überregionaler Ausstrahlung, die Forum und Faktor zugleich sind. Orte, an denen sich die Kraft des Evangeliums entfaltet und Menschen ermutigt werden, Verantwortung zu übernehmen. In dieser Weise prägt die Evangelische Akademie in Hessen und Nassau seit 75 Jahren den gesellschaftlichen Diskurs als Teil des bundesweiten Netzwerks evangelischer Zukunftswerkstätten.
Udo Hahn
Direktor Evangelische Akademie Tutzing
Vorstandsvorsitzender Evangelische Akademien in Deutschland
Die Akademie lernte ich 2020 als Praktikantin kennen. Im Laufe des Praktikums tauchte ich in ihre Entwicklungsgeschichte ein und entdeckte die Akademie als einen Ort, an dem jede Person willkommen ist und Meinungen offen ausgetauscht werden können. Dank der Teilnahme an dem Projekt Junge Akademie wurde die Evangelische Akademie Frankfurt auch für mich zu einem vertrauten Raum spannender Debatten. Ich begegnete hier vielen interessanten Menschen und diskutierte mit ihnen über gesellschaftliche Themen wie Demokratie, Inklusion und soziales Engagement. Ich bin dankbar für diese Zeit und freue mich auf unsere nächsten Treffen.
Liebe Evangelische Akademie, ich wünsche dir noch einen spannenden Weg voller neuer Begegnungen und Inspiration!
Anna Ihnatenko
eh. Stipendiatin Junge Akademie
Als langjähriges Mitglied des Großen Konvents bin ich der Akademie auf vielfältige Weise verbunden. Meine ersten Erinnerungen an die damalige Akademie Arnoldshain reichen in die Zeit als Studentin Mitte der 1970er-Jahre zurück. Bis heute wirken Anregungen fort, die ich aus Tagungen zum jüdisch-christlichen Dialog, verantwortet durch Akademiedirektor Dr. Martin Stöhr, erhalten habe.
Nachdem ich in New York am Union Theological Seminary 1982 einen Master in Feministischer Theologie erhalten hatte, lernte ich an einem der ersten Pfarrerinnentage der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau die neu berufene Studienleiterin und spätere Akademiedirektorin Dr. Leonore Siegele-Wenschkewitz kennen, die mich gleich in ihren neu gegründeten Arbeitskreis Frauen einlud. In besonderer Erinnerung geblieben sind mir die von ihr verantwortete internationale Tagung der Europäischen Gesellschaft für theologische Forschung von Frauen (ESWTR), deren Beiträge sich in dem von Leonore Siegele-Wenschkewitz herausgegebenen Band „Verdrängte Vergangenheit, die uns bedrängt“ veröffentlicht wurden.
Der nach dem leider zu frühen Tod von Leonore Siegele-Wenschkewitz zum Akademiedirektor ernannte Dr. Hermann Düringer lud mich gemeinsam mit Prof. Ruth Lapide als Referentin zu einer Tagung zur Christologie ein, meiner letzten Tagung in Arnoldshain. In Frankfurt wurde die Evangelische Akademie durch Abendveranstaltungen der Studienleiterin und stellvertretenden Akademiedirektorin Ute Knie, einer langjährigen Weggefährtin, zu einem wichtigen Ort der Begegnung und des Austauschs.
Gern wirkte ich auch bei einem Gespräch über Tod und Trauer in Verbindung mit einem Konzert des interreligiösen Chors mit, zu dem Dr. Eberhard Pausch eingeladen hatte, um die Bedeutung der Koransure 36 im Islam sowie von Psalm 27 in Judentum und Christentum nachzudenken.
Vom Beginn meines Studiums bis zu meinem gerade erfolgten Eintritt in den Ruhestand haben Veranstaltungen der Evangelischen Akademie mein Leben begleitet. Als Emerita hoffe ich auf weitere anregende Begegnungen.
Prof. Dr. Renate Jost
Mitglied Großer Konvent
Der 75-jährige Weg der Evangelischen Akademie führte in Hessen und Nassau von Echzell und Assenheim über Arnoldshain nach Frankfurt. Am 20. August 2017 haben wir in der Dreikönigskirche in Frankfurt den Gottesdienst zur Eröffnung des neuen Akademiegebäudes am Römer gefeiert. Der Gottesdienst, in dem ich gepredigt habe, ist mir sehr lebendig in Erinnerung. In der Predigt ging es darum, was es bedeutet, „im Licht des Evangeliums“ auf die Welt zu schauen. Mir ist bei der Vorbereitung der Predigt damals deutlich geworden: Das ist kein Blick, der sich über alles stellt. Es ist auch nicht einfach die Lösung für alle Fragen. Es ist ein Blick, der sich an der Liebe Gottes zu allen Menschen orientiert und so Räume für Begegnungen, Gespräche und Orientierung öffnet. In den vergangenen Jahren habe ich in etlichen Veranstaltungen erlebt, dass die Akademie dies ganz hervorragend leistet. Dafür bin ich sehr dankbar.
Dr. Dr. h.c. Volker Jung
Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau
Erst seit den 1980er-Jahren wurde die NS-Geschichte der evangelischen Kirchenmusik thematisiert. Nach einem Seminar der Folkwang Hochschule Essen fuhr ich 1990 aus dem Ruhrgebiet zur Tagung „Musik und Kirchenmusik im Nationalsozialismus“ nach Arnoldshain. Zum ersten Mal war das Thema mit dieser und der Vorgängertagung 1989 überregional öffentlich geworden. Dr. Leonore Siegele-Wenschkewitz hatte zusammen mit dem Landeskirchenmusikdirektor Dr. Dietrich Schuberth eine prominent besetzte Veranstaltung organisiert, in der extrem unterschiedliche Sichtweisen aufeinanderprallten. Ich fand es klasse, dass die Institution Kirche sich endlich ihrer Vergangenheit stellte und nach den Auswirkungen bis in die Gegenwart fragte. Auch später bin ich zu Tagungen angereist, auch als Referentin, und als Landeskirchenmusikdirektorin der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau seit 2011 habe ich Tagungen mitveranstaltet. An der Evangelischen Akademie schätze ich, dass sie aktuelle Themen bearbeitet – manchmal schon, bevor sie richtig aktuell werden. Ein ausdrückliches Lob an alle, die für die Organisation und Verwaltung verantwortlich sind – die Kooperation war und ist immer unkompliziert und vielfältig unterstützend!
Christa Kirschbaum
Landesmusikdirektorin Zentrum Verkündigung der EKHN
Ich freue mich, wenn ich über den Römerberg gehe und das Akademiegebäude sehe – mit seiner hellen, transparenten Fassade. So ist die Verbindung von Innen und Außen deutlich. Für mich ist die Akademie …
… heute: ein wunderbarer Ort mitten im Herzen der internationalen Stadt Frankfurt / ein Gebäude zwischen Himmel und Erde / ein Ort urbaner Theologie mit gesellschaftspolitischer Ausrichtung / das Haus Römer 9: die Verknüpfung der prominenten Adresse Römerberg 9 mit der biblischen Tradition des 9. Kapitels des Römerbriefs.
… gestern: akademiebegeistert. Seit 2011 gibt es die inhaltliche Zusammenarbeit der Studienleitungen zur Verbindung der Akademien von Stadt und Land. Immer erinnert mich das Akademiegebäude an die Anfänge dieser Verortung. Anfangs war vieles improvisiert. Außen gab es einen maigrünen Anstrich, Industrielampen und großformatige Transparente zur Werbung. Innen waren flexible rollbare Wände für wechselnde Kunstausstellungen. Der Raum veränderte sich immer wieder, und das Publikum saß zum Beispiel in einer Installation zum Thema „Grenzland“ in abgegrenzten Bereichen oder im Flur oder auf der Empore.
… morgen: Die Akademie begeistert durch attraktive gendergerechte Programme, mit engagierten Besucher/innen und digitalen Gästen, durch innovative Ideen und Mut zu Diversity, mit Fragen nach Gott und einer gerechten Welt, in geschwisterlicher und weltweit praktizierter Ökumene, mit diskursiven und intersektionalen Angeboten, mit Kunst und Musik – und mit einer profilierten protestantischen Streitkultur.
Halleluja zum Jubiläum!
Ute Knie
eh. Direktorin Evangelische Stadtakademie Frankfurt Römer 9
Mitglied Förderverein Evangelische Akademie Frankfurt
Danke. Ich habe in der Evangelischen Akademie viel gelernt, interessante Leute getroffen, in Gottesdiensten gepredigt und das Abendmahl gefeiert. Ich wünsche der Akademie weiter einen guten Bildungsgang.
Manfred Kühn
Kirchenrat i. R.
Seit 75 Jahren gestalten die Evangelische Akademie Frankfurt und ihre beiden Vorgängerinstitutionen, die Evangelische Akademie Arnoldshain und die Evangelische Stadtakademie Römer 9, politische, kulturelle und religiöse Debatten aus dem evangelischen Glauben heraus.
Ihr Anspruch, in ihrer Diskurskultur protestantisch, weltoffen und streitbar zu sein, ermöglicht dem evangelischen Glauben, Bildungsräume in der Gesellschaft zu öffnen und so in dem Resonanzraum der heutigen multikulturellen Gesellschaft mit unserer jüdisch-christlichen Tradition verpackt in modernem Gewand zu wirken.
In den nächsten 75 Jahren muss es unser Ziel sein, weiterhin als gesellschaftlicher Player und „Salz der Erde“ auf dem Markt der Wissensvermittlung und der Demokratie-Erziehung in unserer heutigen oft sehr säkular geprägten Gesellschaft wahrgenommen zu werden.
In diesem Sinne wünsche ich alles Gute zum Geburtstag – und auf die nächsten 75 Jahre!
Nicole Lauterwald
Mitglied Förderverein Evangelische Akademie Frankfurt
Als die heutige Evangelische Akademie in Hessen und Nassau vor 75 Jahren ihre Arbeit aufnahm, waren Trümmer zu beseitigen, nicht nur buchstäblich, sondern auch in den Köpfen und Herzen der Menschen. Wo beginnen? Wer den Glauben nicht verloren hatte, sehnte sich nach Frieden, Freiheit und einer Gesellschaft ohne Gewalt, Ausgrenzung und beispielloses Töten. Die Evangelischen Akademien stellten sich der Verantwortung nach dem Kriegsende unmittelbar, jede auf ihre Weise, aber alle im Bewusstsein der Verpflichtung gegenüber den Überlebenden und der künftigen Generationen. Durch die Rückbesinnung auf die Wurzeln der europäischen Traditionen, auf Antike, Humanismus und die Religionen trugen sie wesentlich dazu bei, dass sich die Bundesrepublik zu einem demokratischen Gemeinwesen entwickeln konnte. Die Evangelische Akademie in Hessen und Nassau konnte mit ihrer zukunftsgewandten Bildungsarbeit in Frankfurt – und damit in einem der intellektuellen Zentren Deutschlands – wichtige Impulse setzen und aufnehmen, dies auch schon früh mit der Jüdischen Gemeinde. Die Grundwerte der Evangelischen Akademie und der Akademiearbeit, das Menschenbild und die (Denk-)Anstöße lassen mich mit großer Freude mitwirken, um im Geiste eines konstruktiven und weltoffenen Dialogs die Herausforderungen der Zeit zu reflektieren und vielleicht auch ein wenig zu Lösungen beizutragen. Dieser Austausch und die bereichernden persönlichen Begegnungen sind mir sehr wichtig, geben sie doch auch immer Anlass zum Innehalten und zur Besinnung.
Dr. Annette Ludwig
Direktorin Gutenberg-Museum Mainz
75 Jahre Evangelische Akademie Frankfurt sind 75 Jahre am Puls der Zeit. Oft kontroverse, immer interessante und anregende Veranstaltungen und Begegnungen, gelebte Demokratie und Ökumene – und all das in der kritischen Diskurstradition der Evangelischen Akademien.
So wie heute das neue, luzide Gebäude im kirchlichen, politischen und kulturellen Herz der Stadt steht, sind die Debatten in und mit der Stadtgesellschaft zu zentralen Themen. Wie die Akademie, die einst tief in den Taunuswäldern residierte, muss sich auch die Stadtgesellschaft immer wieder neu (er)finden und positionieren.
Mich begeistert die Offenheit, eine andere Perspektive auf die Dinge zu wagen, einen anderen Weg zu gehen und dabei nie das Ziel aus den Augen zu verlieren: das religiöse, gesellschaftliche und politische Zusammenleben zu gestalten, Verantwortung zu übernehmen und dabei Rechte und Freiheiten der Einzelnen zu wahren.
Junge Menschen bekommen in neuen Formaten wie der Jungen Akademie eine Stimme und Chancen der Mitgestaltung. Meine Begleitung als Mentor bedeutet für mich auch, bereit zu sein, eigene Erfahrung weiterzugeben und sich zugleich anstecken zu lassen von immer wieder neuen, von im umfassenden Sinne „jungen“ Sichtweisen.
Stefan Majer
Dezernent für Personal und Gesundheit Stadt Frankfurt
Die Evangelische Stadtakademie Frankfurt begann mit ihren Veranstaltungen 1993 unter dem programmatischen Titel „Zeitfenster | Zwischenräume. Ein Forum der Evangelischen Erwachsenenbildung im Dominikanerkloster am Börneplatz“. Obwohl die Bezeichnung „Zeitfenster | Zwischenräume“ ab 1997 nicht mehr in den programmatischen Ankündigungen auftauchte, blieb sie grundlegende Perspektive. Es ging immer um historische Einblicke und um die Entdeckung von Zwischenzonen, die ein neues Denken und Handeln ermöglicht haben. Die Titel der Veranstaltungen waren bewusst kurz gehalten. Sie brachten nur auf den Punkt, worum es ging: „Ich, Wir“, „Aus dem Gedächtnis“, „Am Anfang war das Wort“, „Denken ohne Geländer“, „Traum, Spiritualität und Politik“, „Begegnungen – Verfehlungen“. So ergab sich im Laufe der Zeit ein komplexer Einblick in Fragestellungen und Motive des Handelns, die im Laufe der Geschichte eine Rolle gespielt haben. Die Programmhefte waren bewusst klein und handlich gehalten. Man konnte sie überall mit hinnehmen. Zugleich vermitteln sie in konzentrierter Form historische und philosophische Anregungen.
Alle Hefte zusammengenommen verkörperten eine Bibliothek en miniature über religiöse, philosophische und historische Fragen der europäischen Geschichte. Diese Programmhefte sind in ihrer Art eine einzigartige Hinterlassenschaft der Evangelischen Stadtakademie Frankfurt, die von 1999 bis 2001 von Gerald Hintze, von 2001 bis 2006 von Christian Schwindt und von 2006 bis 2012 von Ute Knie geleitet wurde.
Dr. Ingeborg Nordmann
eh. Studienleiterin Evangelische Stadtakademie Frankfurt Römer 9
Meine erste Tagung in der Evangelischen Akademie Arnoldshain besuchte ich als junger Theologiestudent im Jahr 1981. Ihr Titel: „Theologische Ansätze des religiösen Sozialismus“. Ich lernte damals viel über Karl Barth und Paul Tillich – und begegnete dem Akademiedirektor Martin Stöhr und dem legendären Helmut Gollwitzer. Nach der Abendveranstaltung scharten wir Jüngeren uns um den Zeitzeugen und lauschten gebannt seinen Erinnerungen an die Zeit des „Dritten Reichs“ und des Kirchenkampfs. Ich muss gestehen, dass der Mensch Gollwitzer mich sehr faszinierte, auch wenn ich theologisch später ganz andere Wege ging.
Später war ich oft als Referent in der Akademie zu Gast, vor allem bei Tagungen zur Friedensthematik. Seit 2016 bin ich nun Studienleiter und sehe die künftige Aufgabe der Akademie vor allem darin, zum Projekt der Aufklärung beizutragen. Ein bisschen klüger und weiser machen sollte Akademiearbeit schon – und das gelingt ja auch!
Dr. Eberhard Martin Pausch
Studienleiter für Religion & Politik
Die Evangelische Akademie war und ist mit ihren Themen immer auf der Höhe der Zeit und setzt mit ihrer Arbeit wichtige Impulse nicht nur in die Stadtgesellschaft Frankfurts.
Mit der Evangelischen Akademie verbindet mich eine relativ lange persönliche Geschichte. Schon in meiner Studienzeit in den 70er-Jahren habe ich an Seminaren der Evangelischen Akademie in Arnoldshain im Themenfeld der Friedens- und Konfliktforschung teilgenommen. In den späten 80er- und frühen 90er-Jahren war ich dann dort auch Referent zu Themen des interkulturellen Lernens.
Viele Jahre später nahm ich im Rahmen meiner Leitungstätigkeit des Projekts „Gewaltprävention und Demokratielernen“ Kontakt mit Margrit Frölich auf. Gemeinsam mit der Bildungsstätte Alte Schule Anspach starteten wir 2009 eine Seminarserie im Kontext des Demokratielernens. Die erste Tagung hatte den Titel „Demokratielernen in der Region. Partizipation von Kindern und Jugendlichen in Schule und Kommune“, die weiterführende Tagung im Jahr 2010 den griffigen Titel „Demokratisch, praktisch, gut. Engagement und Partizipation junger Menschen“. Mit dem Eintritt von Ole Jantschek in die Akademiearbeit bekamen die Folgetagungen von 2011 bis 2014 dann eine neue Ausrichtung durch die Verbindung von Demokratielernen mit Neuen Medien. So lautete der Titel der ersten dieser Tagungen „Digitale Demokratie, Mitmachnetz und Blog-Schulen“. Bei den Folgeveranstaltungen ging es um Kampagnen im Netz sowie Erzählgeschichten mit unterschiedlichen Medien. Die Tagungen 2016 und 2017 wurden im Rahmen der Evangelischen Akademie Frankfurt mit Stina Kjellgren und Hanna-Lena Neuser zu den Themen „Hass und Hetze im Netz“ und mit dem griffigen Titel „Feeling, Facts und Fiction. Bildung in einer (Netz-)Welt ohne Fakten?“ organisiert. Das waren knapp zehn Jahre einer guten und fruchtbaren Zusammenarbeit.
Eine weitere Zusammenarbeit gab es noch mit dem ehemaligen Leiter Hermann Düringer, auch im Kontext von Demokratiebildung.
Dankbar bin ich der Evangelischen Akademie, dass sie mir im Rahmen meines 60. Geburtstags 2012 die Organisation einer Tagung „Demokratiepädagogik und Friedenspädagogik. Zwei Seiten einer Medaille“ ermöglichte. Insofern war es folgerichtig, dass ich dem Förderkreis der Evangelischen Akademie beitrat.
Auch heute noch in meiner Zeit als Ruheständler gibt es weiterhin eine fruchtbare Zusammenarbeit im Kontext des Demokratielernens mit Hanna-Lena Neuser mit der Jungen Akademie, den BarCamps zur politischen Bildung und im Kontext des hessischen Bündnisses „Demokratiebildung nachhaltig gestalten“.
Helmolt Rademacher
Co-Vorsitzender Landesverband Hessen der Deutschen Gesellschaft für Demokratiepädagogik
Am Anfang war das Haus? Biblisch gesehen ein problematischer Satz, und auch mit Blick auf die Evangelische Akademie nicht richtig. Für mich aber schon. Und das kam so:
Während eines Mittagessens in Frankfurt war als Vortragender der Akademiedirektor Thorsten Latzel eingeladen. Damals befand sich die Evangelische Akademie in ihrer Zwischenphase, sie residierte am Weißen Stein in Frankfurt. Und Thorsten Latzel sprühte nur so vor Schaffensgeist und Tatendrang. Ihm ging es um die erhöhte Debattenintensität inmitten einer Metropole. Um Fragen des Glaubens und der Gläubigen. Um die Widersprüchlichkeit von Arm und Reich in der Bankenstadt Frankfurt, um kürzere Aufmerksamkeitsspannen unserer medial dominierten Welt, um technische Exzellenz bei medialen Formaten, um evangelische Milieus und um die Rolle der Evangelischen Kirche im gesellschaftlichen Diskurs. Das neue Gebäude am Römerberg 9 solle der Arbeit einen ganz neuen Schub geben. Dies könne jeder sehen, der an einer der vielen Führungen durch das sich im Bau befindliche Gebäude teilnehmen wolle.
Für mich waren die Evangelischen Akademien bis dahin vor allem großartige Orte der Diskussion – Thinktanks würde man wohl heute sagen. Mit der Rede Egon Bahrs zu „Wandel durch Annäherung“ als wohl größtem Coup. Und unendlich vielen ebenso inspirierten wie inspirierenden Gedanken und Schriften. Seit der Führung durch das sich im Rohbau befindliche Gebäude war es um mich geschehen. Das Akademiegebäude schwebt über dem Boden (wie viele der Gedanken), es fungiert als Brücke (wie der interreligiöse Dialog), es mischt feste Pfeiler mit stilistischer Lockerheit (wie die Junge Akademie), es ist transparent, einladend, wertvoll und bescheiden, nachhaltig, technisch exzellent und vieles mehr. Wer im Panoramasaal stehend nach Osten schaut, blickt aus einem evangelischen Gebäude auf den katholischen Dom. Wer nach Westen guckt, sieht aus evangelischer Bescheidenheit auf die Frankfurter Bankentürme. Nach Nordwesten schauend, kann man nach intensiver 120-minütiger Debatte auch auf die Frankfurter Bräsigkeit des Bärenparadieses und der Äbbelwoi-Kneipen blicken. Was für ein Zauber.
Für mich stellt der neue Akademiebau und der damit verbundene Umzug in die urbane Welt einen Neuanfang dar. Inhaltlich wie organisatorisch. Und was für ein Statement formuliert unsere Evangelische Kirche mit dem Bau eines solch beeindruckenden Gebäudes in der besten Lage von Frankfurt. Insofern war für mich am Anfang tatsächlich das Haus. Seitdem habe ich mich – nicht zuletzt durch meine Funktion als Mitglied des Großen und des Kleinen Konvents – immer stärker in die Akademie und ihre Aufgaben eingebracht. Sie ist für mich als Teil der Frankfurter Stadtgesellschaft nicht mehr wegzudenken. Genauso wenig als Impulsgeberin der Frankfurter/Offenbacher und auch der hessisch-nassauischen Evangelischen Kirche.
Unsere Evangelische Akademie bietet eine Vielzahl von Formaten an, in denen es regelmäßig um Evangelische Themen, Lebensfragen, Politik und zutiefst menschliche Fragestellungen geht. Oder – etwas staatstragend – formuliert: Die Evangelische Akademie macht unsere Gesellschaft ein Stück weit evangelischer und besser. Sie formuliert großartige Antworten auf viele Fragen unserer Zeit. Natürlich kann ein Haus nicht sprechen oder diskutieren. Einfühlsam oder inspiriert kann es erst recht nicht sein. Aber es sind die Menschen, die Leitenden der Akademie, die Studienleitenden, die Mitarbeitenden, die Referierenden und die Diskutierenden, die Gedanken entwickeln und sie vortragen. Von den Teilnehmenden der Jungen Akademie bis zu Pensionären, von Hauptamtlichen bis zu den Freiwilligen gibt es eine Vielzahl überaus interessanter Menschen, die ich rund um die Veranstaltungen der Akademie habe kennenlernen können und die den Geist und die Inspiration der Akademie hochhalten.
Und am Ende sind es diese Mitwirkenden, die unsere Akademie so stark machen.
Dr. Albrecht Reihlen
Mitglied Kleiner und Großer Konvent
Schon zu meiner Zeit als Religionslehrerin habe ich die Fortbildungen der Evangelischen Akademie sehr genossen, und auch heute sind mir die Themen und Anregungen der Evangelischen Akademie unbedingt wichtig, um mit den Fragen, die das Leben stellt, besser zurechtzukommen und dem Woher, Wohin und Warum näherzukommen.
Dorothea von Schenck
Mitglied Förderverein Evangelische Akademie Frankfurt
Seit 1980 bin ich der Evangelischen Akademie – damals Arnoldshain – verbunden. Ganz wichtige Weichenstellungen in meinem theologischen und politischen Denken wurden hier gestellt. So durfte ich zum Beispiel im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft Juden und Christen beim Evangelischen Kirchentag, die lange ihren Sitz in Arnoldshain hatte, als junge Theologiestudentin bei den Debatten mit den Größen des jüdisch-christlichen Gesprächs der damaligen Zeit (Helmut Gollwitzer, Martin Stöhr, Edna Brocke, Pinchas Lapide) dabei sein. Das Besondere der Tagungen in der Akademie war für mich als junge Frau der Zusammenhang von Streiten, Lernen und Sich-Begegnen. Diese ersten Erfahrungen haben dazu geführt, dass ich auch als Pröpstin und Mitglied der Kirchenleitung für die Akademie gekämpft habe. Auch wenn sich Formate und Themen immer wieder ändern, unsere Kirche und die Gesellschaft brauchen auch in Zukunft einen Ort des Streitens, des Lernens und der Begegnung wie die Evangelische Akademie.
Gabriele Scherle
Pröpstin a. D.
eh. Vorsitzende Kleiner und Großer Konvent
Die Evangelische Akademie Frankfurt, zu deren 75-jährigem Bestehen ich herzlich gratuliere, begeistert mich als Christ wie auch als Politiker. Sie verbindet die Vermittlung christlicher Werte mit der Diskussion gesellschaftlicher Fragen. Dabei gibt sie kritischen Positionen Raum, verfolgt aber immer das Ziel, die Demokratie und das Miteinander zu stärken.
Begeistert bin ich von dem neuen Tagungshaus am Römerberg. Ich erinnere mich, wie ich in der Stadtverordnetenversammlung an den Diskussionen über den Entwurf beteiligt war. Das Ergebnis ist gelungen – nicht nur, weil das Gebäude einen architektonischen Akzent im Herzen Frankfurts setzt. Die Glasfassade steht für Transparenz: Hier werden keine abgeschotteten Debatten geführt, sondern Themen behandelt, die alle angehen. Es ist ein Ort der Reflexion entstanden, an dem ich gern zu Gast bin.
Begeisternd ist für mich auch die Junge Akademie, für die ich gern als Mentor Stipendiaten betreut habe. Das Programm ist ein wichtiger Beitrag, um junge Menschen in ihrem gesellschaftlichen Engagement zu unterstützen.
Ich wünsche uns allen, dass die Akademie noch lange Menschen zusammenbringt, damit sie Entwicklungen voranbringen!
Jan Schneider
Dezernent für Bau und Immobilien, Reformprojekte, Bürgerservice und IT Stadt Frankfurt
Ich gratuliere der Evangelischen Akademie Frankfurt zu 75 Jahren sehr erfolgreicher Arbeit. Ich unterstütze diese Einrichtung, weil unser gesellschaftlicher Diskurs ohne sie um vieles ärmer wäre. Die Evangelische Akademie Frankfurt greift die Themen auf, die für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft sehr wichtig sind. Leider gibt es nur noch wenige Einrichtungen, in denen wie hier ein konstruktiver gesellschaftlicher Diskurs stattfindet. Die Evangelische Akademie Frankfurt führt die Debatten, bietet eine Plattform für den Austausch über religiöse und gesellschaftliche Positionen und Veränderungen, ohne dabei zu polarisieren. Ich schätze die Frankfurter Evangelische Akademie sehr und freue mich auf viele neue Veranstaltungen, hoffentlich auch bald wieder in Präsenz im wunderschönen Akademiegebäude.
Theo Schonebeck
Mitglied Förderverein Evangelische Akademie Frankfurt
Für mich hat die Akademie eine ganz besondere Bedeutung: Als ehemalige Stipendiatin habe ich durch die Akademie neue Facetten in mir und in der Gesellschaft entdecken dürfen. Es war quasi eine Reise im eigenen Wachsen und zum Festigen des eigenen Willens, etwas in der Gesellschaft zu verändern. Nur wenn Einzelne etwas ankurbeln, zieht die Masse nach. Die Akademie war definitiv ein Indikator dafür.
Sheila Marie Steckhan
eh. Stipendiatin Junge Akademie
Die Evangelische Akademie war schon immer „mein Fenster zur Stadt“: Wir blicken in und mit ihr auf Paulskirche, Altstadt, Römer, die moderne City und all die Menschen, die diese Plätze in ihrer Vielfalt füllen. Die Akademie selbst versteht sich als „Ort der Reflexion, des Diskurses, des Innehaltens und der geistlichen Orientierung“. In virtuellen wie in ganz normalen Zeiten. Mitten in der Stadt und in der Mitte Europas. Und zum Glück öffnen sich ja bald auch wieder die Türen für dieses wertvolle gesellschaftliche Miteinander.
Petra Tutsch
Mitglied Förderverein Evangelische Akademie Frankfurt
75 Jahre Akademie in Hessen und Nassau. Das ist ein Grund zu feiern und zu gratulieren! Die Schwesterakademie aus Kurhessen-Waldeck – sie zieht im kommenden Jahr mit demselben Jubiläum nach – gratuliert der Evangelischen Akademie Frankfurt herzlich.
Die Evangelische Akademie Frankfurt befindet sich auf der Agora, dem lebendigen Ort der Stadt, am Römer – einem besonderen Ort, in dessen Blickweite Politik betrieben wird und ein zentraler Gedenkort deutscher Demokratie auf seine Neugestaltung wartet. In unmittelbarer Nachbarschaft befinden sich bedeutende Kulturorte, und nicht weit von dort werden Weichen für die wirtschaftliche und finanzpolitische Entwicklung Europas gestellt. Ein Kraftzentrum also, an dem die Akademie in bester Lage in großartiger zeitgenössischer Architektur agiert!
Akademie begeistert – so lautet das Motto des Jubiläums. Das ist eine gute Beschreibung davon, was Akademiearbeit vermag. Es ist zugleich ein Anspruch, der eingelöst werden will. Dazu braucht die Akademie ein begeistertes Team, Freund/innen, die sich für die Akademiearbeit begeistern, Teilnehmende an den Veranstaltungen, die sich von dieser Begeisterung anstecken lassen. Und es braucht Gottes guten Geist, der seit jeher schöpferisch ist und Menschen unterschiedlichster Herkunft und Gedanken zusammenführt. Dieser Geist erfülle und inspiriere die Evangelische Akademie Frankfurt – auch weiterhin!
Karl Waldeck
Direktor Evangelische Akademie Hofgeismar
Auf dem Frankfurter Römerberg, in unmittelbarer Nähe zu wichtigen Institutionen der Stadt, stellt das Gebäude der Evangelischen Akademie einen markanten architektonischen Akzent dar, der auch ihre 75-jährige Geschichte und Bedeutung widerspiegelt. Die Evangelische Akademie Frankfurt und ihre Vorgängerinstitutionen boten und bieten bis heute ein vielfältiges Angebot von Veranstaltungen an, das auch über die Grenzen der Stadt und des Landes hinaus wegweisende und immer wieder entscheidende Impulse setzen konnte. Als Forum der Begegnung, der kritischen Reflexion, des offenen Diskurses und der geistlichen Orientierung trägt sie maßgeblich zum konstruktiven Dialog zwischen politischen, gesellschaftlichen und kirchlichen Entscheidungsträgern und Verantwortlichen bei. Die Hessische Landesregierung schätzt die Atmosphäre und Gastfreundschaft der Akademie bei den turnusmäßigen Gesprächen mit den Vertretern der christlichen Kirchen.
Wir brauchen in dieser Zeit religiöse und geistliche Denkimpulse mehr denn je. Diese Aufgabe übernimmt die Evangelische Akademie Frankfurt seit vielen Jahren mit großem Erfolg und bietet damit, über eigene konfessionelle Perspektive hinaus, wichtige Antworten auf die gesellschaftlichen Fragestellungen unserer Zeit. Ich wünsche der Akademie und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die Zukunft eine kraftvolle und erfolgreiche Fortsetzung dieser Arbeit.
Axel Wintermeyer
Staatsminister und Chef der Hessischen Staatskanzlei
Seinerzeit habe ich mich sehr gefreut, als ich erfuhr, dass die Evangelische Akademie Arnoldshain nun in Frankfurt einen zweiten Standort einrichten will. Denn sie hatte, vor allem in den ersten Jahren nach dem Krieg, durch anregende Tagungen zu aktuellen Fragen und bedeutsamen Veröffentlichungen einen guten Ruf. Allerdings war sie, zwar in reizvoller Landschaft gelegen, in Schmitten am Fuße des Großen Feldbergs nicht so gut erreichbar.
Deshalb habe ich es begrüßt, dass sie nun im Zentrum des Rhein-Main-Gebiets präsent wurde, sogar unmittelbar am Römerberg. Um ihre Arbeit zu unterstützen, bin ich recht bald dem gerade gegründeten Förderverein beigetreten. Unter „Römer 9“ habe ich an zahlreichen Veranstaltungen mit Freude teilgenommen – vor und nach der erfreulichen Erweiterung und Renovierung. Aus letzter Zeit vor der Pandemie sind mir die Treffen in den Johannisnächten mit jeweils mehreren Kurzvorträgen als gut gelungen besonders in Erinnerung geblieben.
So ist die Evangelische Akademie Frankfurt auch ein ebenbürtiges Pendant zum Haus am Dom, dessen Akademie schon länger hörenswerte Vorträge angeboten hatte.
Ich wünsche der Akademie, dass sie weiterhin von den Themen, „die in der Luft liegen“, die richtigen aufgreift und – mit christlicher Perspektive – auch Kirchenferne interessiert und dauerhaft gewinnt.
Günther Zybell
Mitglied Förderverein Evangelische Akademie Frankfurt
Die Akademiearbeit begann mit der Zielsetzung, „Männer der Wirtschaft, der Politik und des Rechts“ anzusprechen. Mir ist es wichtig, auch den Frauen ein gezieltes Tagungsangebot zu machen.
Kraft des Geistes
Zeugnisse der Akademiegeschichte
Das kirchliche Leben in Deutschland nach dem Zusammenbruch hat sich nicht damit begnügt, die alten Formen kirchlicher Arbeit weiterzupflegen und in den gewohnten Gleisen zu bleiben, sondern auf vielen Gebieten neue Wege beschritten. Besonders dringend war die Frage des Verhältnisses der akademischen Berufe zur Kirche geworden. Die gewaltige Entwicklung der Wissenschaft, besonders die großen Erfindungen und Entdeckungen des 19. Jahrhunderts, hatten viele Menschen in die Gefahr gebracht, in der Wissenschaft einen Ersatz für die Religion zu sehen. Immer mehr löste sich das Denken aus dem Bereich der offenbarten Wahrheiten des christlichen Glaubens heraus. Der Mensch meinte, die Welträtsel aus eigener Kraft lösen zu können, ja er sah die Erkenntnisse der Religion als für den wahren Fortschritt hinderlich an. Damit entzog er aber seinem Leben die Kräfte, die ihm einen wirklichen Halt geben konnten, und gerade auch die akademischen Berufe verloren immer mehr an Bestand. Wenn man hier helfen wollte, musste man versuchen, ein Gespräch zwischen den Akademikern und der Kirche zustande zu bringen und gemeinsam um eine rechte Berufs- und Lebensgestaltung sowie um eine neue und echte Zuordnung von Wissenschaft und Religion zu ringen.
Als Basis für ein solches Gespräch wurde die Einrichtung der Evangelischen Akademie geschaffen. Als erste entstand die Akademie von Bad Boll für das Gebiet der württembergischen Landeskirche. Die Akademie Nassau-Hessen, die heute auf ein einjähriges Bestehen zurückschauen kann, steht an zweiter Stelle und wird durch das evangelische Männerwerk, an dessen Spitze Pfarrer Lic. [Ernst] zur Nieden steht, getragen. Im Februar 1946 ergingen zum ersten Male Einladungen an alle Erzieher in Nassau-Hessen, und seitdem folgten einander die Tagungen ohne Unterbrechung. Bisher fanden statt: fünf Tagungen für Erzieher, drei für Juristen, zwei für Ärzte, zwei für Sozialwissenschaftler, je eine für Künstler, für Ingenieure, für Pfarrer und für Studenten sowie eine Theologische Woche für gebildete Laien. Während die erste Tagung nur von acht Gästen besucht war, steigerte sich die Zahl der Teilnehmer später so, dass das Forthaus bei Echzell, in dem die Tagungen stattfanden, oftmals nicht mehr ausreichte und man die Wintertagungen 1947 in das Spessart-Sanatorium Bad Orb verlegen musste. Im Ganzen haben etwa 1.000 hessische Akademiker an den Zusammenkünften teilgenommen.
Die Programmgestaltung der einzelnen Tagungen war außerordentlich vielgestaltig. Zumeist stand ein großes Thema im Mittelpunkt der Zusammenkünfte. So wurde in einer Erziehertagung das Verhältnis von Humanismus und Christentum, in einer anderen das des Christentums zum deutschen Idealismus behandelt. Die Juristen beschäftigten sich besonders mit der Frage der Fundierung des Rechtes und der Möglichkeit eines Naturrechtes sowie mit dem Spezialgebiet der Ehegesetzgebung. In einer sozialwissenschaftlichen Tagung wurde eine Klärung der Frage der Berechtigung und Begrenzung des persönlichen Eigentums versucht und damit zu einem der brennendsten Probleme unserer Tage Stellung genommen. Das Verhältnis von Glauben und Wissen, der Religion zur Naturwissenschaft war Thema für die Zusammenkunft der Ingenieure, während sich die Ärzte und Naturwissenschaftler einerseits mit speziellen Berufsfragen beschäftigten, andererseits aber auch den Versuch machten, etwas über das Problem des Lebens selbst auszusagen. Die einzelnen Referate wurden in der Hauptsache von Professoren der Hochschulen Frankfurt, Marburg, Heidelberg, Göttingen, Mainz, Darmstadt gehalten. Für alle Teilnehmer war es hierbei immer wieder außerordentlich eindrucksvoll, wie heute das Verhältnis Wissenschaft und Religion gerade von den bedeutendsten Wissenschaftlern neu gesehen und gedeutet wird. In zahlreichen Aussprachen, die sich jeweils an die Vorträge anschlossen und in größeren oder kleineren Aussprachegruppen stattfanden, wurde das Gehörte erweitert und vertieft. Es war deutlich zu spüren, wie wohltuend es für die Teilnehmer war, hier endlich einmal alle die Fragen stellen zu können, die ihnen vielleicht schon lange am Herzen lagen. Besonders die Jugend, die erfreulich stark unter den Besuchern vertreten war, beteiligte sich lebhaft an den Gesprächen und lauschte den Vorträgen mit brennendem Interesse. Den inneren Kern aller Zusammenkünfte bildete jeweils die Beschäftigung mit Texten der Bibel, gemeinsame Morgen- und gemeinsame Abendandachten, die den Tag mit Sammlung beginnen und in Stille ausklingen ließen. Aus der Hast und Unrast der Zeit heraus sahen sich die Gäste so in den Segensbereich einer christlichen Tagesgestaltung gestellt. Im gemeinsam Ringen um eine echte Ordnung des Lebens wuchsen sie hierbei in immer stärkerem Maße zu einer wirklichen Lebensgemeinschaft zusammen, die sich sogar bis in das Leben des Alltags fortsetzte. […]
Lic. Ernst zur Nieden, Juli 1947
Wenn man nach Wesen und Aufgabe einer Evangelischen Akademie fragt, so wird auf diese Frage geantwortet werden können: Es geht um die denkende Durchdringung aller Wissens- und Tätigkeitsgebiete des Menschen vom christlichen Glauben her. Diese Aufgabe ist nicht neu, sondern sie hat ihre Geschichte, und es dürfte nicht nutzlos sein, in dieser festlichen Stunde Aufgabe und Problematik unserer Gegenwart von der Geschichte her zu erhellen. […]
Ich erinnere mich gut an den Tag, da der Gedanke der Evangelischen Akademie geboren wurde: Es geschah dies in dem kleinen Kreise, den Landesbischof [Theophil] Wurm während der letzten Kriegsjahre in Korntal zu versammeln pflegte, um die Aufgaben der Kirche nach dem bevorstehenden Zusammenbruch des Dritten Reiches vorbereitend zu klären. Wir dachten zunächst an eine Evangelische Akademie der Wissenschaften, wobei im Unterschied zu den sonstigen bestehenden Akademien der Wissenschaften der evangelische Glaube gemeinsame Voraussetzung ihrer Mitglieder sein sollte. Von hier aus hofften wir, das Auseinanderfallen der Wissenschaften und ihre Hörigkeit gegenüber weltanschaulichen Gewalten zu überwinden.
Die Verwirklichung des Gedankens erfolgte dann seit 1945 in der anderen Gestalt, wie sie uns von den mannigfachen Evangelischen Akademien Westdeutschlands her bekannt ist, die ja nicht primär Stätten gelehrter Forschung, sondern Stätten der Begegnung der verschiedensten Berufskreise zur Klärung ihrer geistigen und praktischen Probleme sind. Aber der Grundgedanke ist insofern derselbe geblieben, als auch diese Evangelischen Akademien das Auseinanderfallen der Wissens- und Lebensbereiche zu überwinden und das Hochkommen von weltanschaulichen Gewalten, die die Erkenntnis und das Leben in gleicher Weise bedrohen, vom Evangelium her zu hindern suchen.
Die Richtung, in der die Arbeit einer Evangelischen Akademie zu geschehen hat, muss daher eine doppelte sein:
Einmal muss die Evangelische Akademie dem Fragen, Forschen, der Not der Probleme bedingungslos Raum gewähren in ihren Mauern und einer jeden Wissenschaft und einem jeden Beruf die Möglichkeit geben, von den eigenen Voraussetzungen her zu Wort zu kommen und die eigene Problematik zu entfalten. Dies bedeutet praktisch, dass die Akademieleitung nicht nur christliche Juristen, christliche Erzieher, christliche Mediziner et cetera Vorträge halten lässt, sondern sich ganz schlicht darum bemüht, die in ihrem Fache Hervorragendsten zu Wort kommen zu lassen. Der christliche Glaube öffnet zu radikaler Offenheit für die Probleme des Denkens und Lebens und hält der Problematik stand. Entscheidend freilich ist, dass solche Vorträge und Diskussionen umgeben sind von Gottesdiensten und Bibelarbeit, worin das Wort vom Kreuz lauter und rein verkündigt wird.
Zum anderen muss in der Evangelischen Akademie immer wieder aufs Neue der Entwurf einer christlichen Deutung der Probleme und Aufgaben der Wissenschaften und der Berufe versucht werden. Zu ihrer Aufgabe gehört so zum Beispiel die Frage nach den Zeichen der Zeit, also die Diagnostik unserer gegenwärtigen Weltsituation. Wir müssen es wieder wagen, unter Berufung auf den christlichen Glauben und von ihm aus folgernd Geschichtsphilosophie, Naturphilosophie, Rechtsphilosophie, Soziologie, Philosophie der Kunst und selbst der Mode zu treiben. Entscheidend ist freilich auch hier, dass das Wort vom Kreuz lauter und rein verkündigt wird. Denn dieses verwehrt dem Menschen, eine christliche Weltanschauung in einer solchen Weise zu dogmatisieren, dass sie wie im Mittelalter zu einem Hindernis neuer Erkenntnis wird.
Die Mitte dieser beiden Richtungen, in denen die Akademiearbeit zu geschehen hat, ist das Wort vom Kreuz. Möge es in diesem Hause stets in der Kraft des Geistes verkündigt werden!
Prof. D. Dr. Edmund Schlink, 30. Oktober 1954
Lassen Sie mich am Schluss noch ein paar Minuten die feiernde und gefeierte Akademie repräsentieren und zum Ausdruck bringen, was sie jetzt empfindet. Wir halten ein Übermaß von Zehnjahresfeiern, wie sie heute stattfinden, für nicht erstrebenswert. Deshalb wollten wir im November vorigen Jahres [1955]. als sich der Beginn unserer Arbeit zum zehnten Male jährte, nicht in den Schatten eines großen Akademiejubiläums treten, das zu der neuen Arbeits- und Lebensform, die uns heute beschäftigt, schon alles nur denkbar Positive und Besinnliche zum Ausdruck brachte. Wir wollten in der Stille weiterarbeiten.
Nun aber hat die Gesellschaft Evangelische Akademie, in der sich unsere Teilnehmer und Freunde zusammengeschlossen haben, aus Anlass der zehnjährigen Wiederkehr der ersten Akademieveranstaltung in Frankfurt am Main eine größere Öffentlichkeit zur Besinnung über deren Arbeit aufgerufen. Im Namen des Konventes danke ich der Gesellschaft und ihrem Vorsitzenden, Herrn Ministerialrat Dr. [Hans] Puttfarcken, auf das Herzlichste. Die tragenden Kräfte unserer Akademie haben diesen Abend als Geschenk und Zuspruch zugleich empfunden.
Wir sind glücklich, dass die Herren, die vom ersten Tage an die unter sehr bescheidenen Umständen beginnende Akademie ermutigten und ihr halten, auch heute wieder an diesem Markstein mit bei der Sache waren und damit die Freude und Hoffnung der ersten Stunde erneuert haben. Wir danken Seiner Magnifizenz, Herrn Professor [Helmut] Coing, Herrn Professor [Franz] Böhm und Herrn Professor [Hans] Achinger auf das Herzlichste für das, was sie uns heute wieder gegeben haben; ebenso Herrn Direktor [Wolfgang] Sucker, der schon in der Frühzeit der Arbeit zu uns stieß und ein nicht geringes Maß davon mitgeleistet hat.
Wir haben dereinst begonnen unter dem Zeichen des Gespräches, mit dem wir von unserer neu gewonnenen Freiheit Gebrauch machen wollten. Die Freistatt des kirchlichen Raumes haben wir spannungsvollen Kräften zur Begegnung angeboten. Ohne ein hohes Maß von Toleranz war das nicht denkbar. Aber das allein genügte nicht, um den geistigen Zusammenbruch unserer Zeit überwinden zu helfen. Immer mehr begegnete uns das Verlangen nach einem verpflichtenden, zu einer Entscheidung rufenden Wort. Auch heute noch lebt eine verborgene Spannung zwischen dem Gespräch, das den Ausdruck jeder Meinung erlaubt, und dem verpflichtenden, das aber ohne bedrückende Macht sein will. Es geht darum, inmitten der freien Atmosphäre einer akademischen Arbeit, in der es keine Verketzerung persönlicher, begründeter Standpunkte gibt, die Frage auf Leben und Tod zu stellen. Nicht die Frage als interessantes Spiel der Kräfte ist das Entscheidende, sondern das, was aus der Todeseinsamkeit des Menschen vor Gott, wie sie Luther so klassisch erlebte, entspringt. Auch heute wird die klare, persönliche Glaubensentscheidung allein die wendende Kraft haben.
Die Zeit der ersten Liebe – auch im Eifer des Gespräches – ist vorbei. Die Akademie wird aber in ihrem zweiten Jahrzehnt nicht mehr von eigenen Impulsen zu leben brauchen: Sie ist unter der Hand gleichsam wie ein Fluss in einen Strom eingemündet, der unser kirchliches Leben durchzieht. Der Kirchentag ist hierfür stärkster Repräsentant. Die Akademie wird noch viele Jahre einer Bewegung zu dienen haben, die die Welt und ihre Verhältnisse vom Dreieinigen Gott her begreifen und alle Lebensbereiche Gott untertan machen will. In einer Wendezeit der Kirchengeschichte sucht man die Inkarnation des Glaubens in das zu lebende Leben hinein und ein neues Zueinander von Kirche und Welt. Auch die Referate, die wir heute hörten, haben gezeigt, dass der christliche Glaube als Botschaft vom Kreuz sich öffnet für die Probleme des Denkens und Lebens. Das Ausmaß der Aufgaben, das der Akademie ohne ihr eigenes Wollen in diesem großen Prozess in Zukunft zufallen wird, ist gar nicht abzusehen. Wir wollen darum bitten, dass Gott sie dazu von Jahr zu Jahr tüchtig mache.
Das Gelingen kann nur einer Gemeinschaft geschenkt werden. Wir bitten auch Sie, unsere verehrten Festgäste, um diese Gemeinschaft.
Einen herzlichen Dank möchten wir heute bekunden gegenüber den Kräften des Volks- und Staatslebens, die Ministerpräsident Dr. [Georg August] Zinn unter uns verkörpert: für den guten Platz, für das Vertrauen und die Hilfe, die man der Evangelischen Akademie im Volksganzen zuteilwerden lässt, wir bitten, dass wir es in den kommenden Jahren weiterhin in starkem Maße erfahren dürfen.
Wir möchten unseren Dank aussprechen gegenüber der Leitung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, repräsentiert durch Kirchenpräsident D. [Martin] Niemöller, dafür, dass sie mit dem Haus in Arnoldshain beste Voraussetzungen für die Arbeit schuf und zugleich für alle praktische und ideelle Hilfe von Jahr zu Jahr. Gott gebe, dass alle Hilfe, die wir auch künftig erbitten, zu einem Gewinn und Segen werden für das Leben der Kirche, ebenso wie für unser Volk.
Wir danken an diesem Tage in einer besonderen Weise unseren Studienleitern für ihre Arbeit. Studienleiter Dr. [Hans] Kallenbach hat ja an diesem Jubiläum einen besonderen persönlichen Anteil. Er ist mehr und mehr die tragende Kraft der Akademie geworden und hat ihr viele geistige Impulse gegeben. Die Öffentlichkeit verbindet mit ihr seinen Namen. Wir sind glücklich, dass Dr. [Heinz] Renkewitz als theologischer Studienleiter nun schon im zweiten Jahr mitwirken kann. Ich möchte es nicht versäumen, auch der aufopfernden, wertvollen Mitarbeit von Fräulein Spreizer im Sekretariat von den ersten Tagen an zu gedenken. In Arnoldshain waltet jetzt Fräulein Kolb, die schon große Erfahrung in unsere Arbeit mitgebracht hat. Gott bekenne sich zu aller Treue in der menschlichen Leistung!
Wir danken nun zuletzt – aber mit warmem Herzen – für viel Mitarbeit und Solidarität des Bemühens, die wir aus Ihrem Kreis erfahren haben. Machen Sie diesen Tag zum Anlass zu einem noch stärkeren Mitdenken und Mitarbeiten! Gott schenke Ihnen dafür allen Reichtum, den ein Leben auch Ihm auch in dieser Welt gewinnen kann.
Dr. Ernst zur Nieden, 27. Februar 1956
Die Evangelische Akademie Arnoldshain hat in ihrer 50-jährigen Geschichte eine Anzahl von Gedenktagen und Jubiläen begangen. Nach Zeitabschnitten unterschiedlicher Dauer hat sie innegehalten und Bilanz gezogen und dies mit Publikationen dokumentiert: erstmals nach einem Jahr Akademiearbeit, dann nach dem ersten Dezennium, nach 25 Jahren und Ende der 70er-Jahre nach beinahe 35 Jahren Arbeit. Bei diesen Gelegenheiten hat sich die Akademie ihres Gründungsauftrags vergewissert, sich gefragt, ob die Ausstattung für ihre Arbeit ihrem Auftrag angemessen ist. Sie hat die Zielgruppen definiert, an die sich ihre Arbeit richtet, und nach ihrer Stellung in der Kirche und Gesellschaft gefragt. All dies beschäftigt uns auch in dieser Stunde: ungeachtet der vielen guten Worte, die über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Akademiearbeit gesagt worden sind, müssen und wollen wir uns mit der Frage auseinandersetzen:
Sind 50 Jahre genug? Haben die Akademien ihren Auftrag erfüllt? Haben sie einen bleibenden Auftrag, und – wenn sie dies bejahen – wie definieren sie ihren Auftrag heute?
Erlauben Sie der Zeithistorikerin, die natürlich auch die Geschichte dieser kirchlichen Institution erforscht, einen kurzen Rückgang in die Geschichte.
Der Gründungsauftrag Evangelischer Akademien nach dem Ende der nationalsozialistischen Diktatur lautete, das Gespräch zwischen Kirche und Welt aufzunehmen und es gleichsam symbolisch an den Akademien abzubilden. Die Kirche suchte nach einem Ort, wo sie Menschen in Schüsselfunktionen der Gesellschaft erreichen konnte. Sie bot sich an, Werte und Grundhaltungen auf der Basis der biblischen Glaubensüberlieferung zu vermitteln bei der Neuorientierung auf die politische und gesellschaftliche Situation im Nachkriegsdeutschland. Die relevanten Themen dieser Zeit waren: schuldhafte Verstrickung in den Nationalsozialismus, Neubeginn in einem demokratischen Staat und in den Landeskirchen, Bejahung des Grundgesetzes und damit Anschluss an den Menschenrechtsdiskurs, die Integration von Vertriebenen und Flüchtlingen, sozialer Ausgleich, der Aufbau von Medien, einer Öffentlichkeit in der Demokratie, mit dem die Formulierung des Öffentlichkeitsauftrags der Kirchen einherging, die Aufnahme von ökumenischen Beziehungen. Um diese Themen zu bearbeiten, wendeten sich die kirchlichen Akademien an Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft, Recht, den Hochschulen, den Medien sowie Menschen aus spezifischen Berufen, um bei der Bearbeitung dessen, was auf der gesellschaftlichen Tagesordnung stand, zu zeigen, dass der christliche Glaube Halt und Orientierung für die Bewältigung von Lebensproblemen bietet.
Der Auftrag, den sich die Akademien in der beschriebenen Weise gaben, begegnete einem tatsächlich vorhandenen Interesse vonseiten des Staats und der Gesellschaft; einem Interesse an einer Vermittlungsfunktion der Kirchen. Ihnen wurde in der Phase des Neuaufbaus der Bundesrepublik Deutschland ein hoher Kredit eingeräumt, galten sie doch als nicht belastete Institutionen. Tatsächlich jedoch, denke ich, verdankt sich die Akzeptanz und der Erfolg der Evangelischen Akademien seit 1945 der Tatsachen, dass die Gründungsväter der ersten Stunde aus sehr unterschiedlichen politischen und kirchenpolitischen Lagern stammten – durchaus nicht nur aus Widerstandskreisen – und sie dies mit ihrer Tagungsklientel verband, die ein Querschnitt durch die deutsche Bevölkerung mitsamt ihren geschichtlichen Erfahrungen war. Dies verbietet eine Heroisierung und Legendenbildung über die Anfänge der Akademien.
Zugleich ist jedoch anzuerkennen, dass das neue kirchliche Handlungsfeld Akademie eine zweifache Weichenstellung für die Entwicklung des Protestantismus in der Bundesrepublik vollzog: eine unzweideutige Hinwendung zur Demokratie sowie der Bezug auf die weltweite Kirche, die Ökumene. Beide Orientierungen sind Herausforderungen geblieben.
Ein tiefgreifender Wandel vollzog sich an den Akademien seit der Mitte der 60er-Jahre im Gefolge des Entstehens der neuen sozialen Bewegungen in der Bundesrepublik. In dieser Zeit wurden die Akademien auch personell stark ausgebaut. Mit den Begriffen „Forum“ oder „Parteilichkeit“ wurde eine Debatte um das Selbstverständnis Evangelischer Akademien geführt sowie um die zu erreichende Klientel. Sollte die Akademie die Rolle einer Vermittlerin wahrnehmen, sich allein an die Elite der Gesellschaft wenden, damit hier Meinungsbildungsprozesse eingeleitet würden, oder sollte sie selbst Stellung beziehen in den gesellschaftlichen Konflikten, sollte sie Positionen vertreten und Positionen Dritter verstärken? Intensiv wurde auch die Forderung nach Demokratisierung der Akademieklientel erhoben. Die vorrangige Aufgabe der Akademien sollte nicht länger die Elitebildung sein, sondern die Gewinnung der „Basis“, und das hieß konkret: die Öko-, Friedens- und Frauengruppen sowie die in der Ökumene aktiven Initiativen sollten in den Akademien ihren Ort und ihr Sprachrohr haben.
Die Akademien haben den geforderten Wandel ihres Konzepts in unterschiedlicher Weise vollzogen. Festzuhalten bleibt, dass in dieser Phase eine Pluralisierung des Akademiekonzepts stattgefunden hat, und diese Pluralisierung stellt sich auch heute im gegenwärtigen Akademiebetrieb dar. Wo steht die Akademie heute? Ist sie noch immer zur Elitebildung berufen, wo doch die gesellschaftliche Stellung der Kirche zunehmend an Bedeutung zu verlieren droht? Wird den Akademien noch die Rolle als vermittelnde Instanz abgenommen? Werden sie nicht vielmehr als Interessenvertretung der Kirche angesehen?
Und aus der Wahrnehmung der Kirchen: Sind die Akademien bei ihren Gesprächen mit der Welt zu weltlich geworden? Sind sie für die Kirche noch als kirchliches Handlungsfeld zu identifizieren?
Diese Fragen werden uns gestellt, und wir stellen uns ihnen. Wir führen innerhalb des Studienleitungskollegiums und in unserem Vorstandsgremium darüber eine Diskussion, wie wir an die, die unsere Veranstaltungen besuchen und weiter besuchen sollen, vermitteln können, warum die Kirche mit den Akademien ihren Öffentlichkeitsauftrag gegenüber der Gesellschaft wahrnimmt, und wie wir den Entscheidungstragenden in unserer Kirche vermitteln können, warum es nach wie vor nötig ist, ein kirchliches Handlungsfeld Akademie zu unterhalten.
Wir fühlen uns den beiden klassischen Akademieaufträgen uneingeschränkt verpflichtet: den Öffentlichkeitsauftrag der Kirchen in der Gesellschaft wahrzunehmen sowie eine für die Akademie spezifische Bildungsarbeit zu entwickeln und zu tun.
Sie, die Sie den Weg unserer Akademie begleitet haben, kennen diese spezifische Bildungsarbeit, Sie füllen den Begriff mit Erfahrungen. Die Akademien sind Orte, wo unterschiedliche Standpunkte zu relevanten Problemen ausgetragen werden können. Das Konstruktionsprinzip der meisten Veranstaltungen ist ein Konflikt, ist die Unterschiedlichkeit der Positionen und Zugehensweisen zu Problemen. Im akademischen Dialog geht es nun nicht darum, den gegensätzlichen Standpunkt von vornherein auszulöschen, sondern es wird argumentiert, man hört einander zu und entwickelt Respekt, Verständnis, ja Toleranz gegenüber dem, was nicht unbedingt der eigenen Meinung entspricht – wächst doch die Einsicht darüber, dass im Streit um die Wahrheit nur Annäherungen möglich sind.
Das Besondere und Eigene des Miteinanders an der Akademie ist, dass keine Entscheidung getroffen werden muss. Darum ist sie partiell ein herrschaftsfreier Raum, in dem eine solche Diskussionskultur praktiziert werden kann.
Ich halte es für eine notwendige gesellschaftliche Funktion, dass es solche Orte gibt – zumal in unserer Zeit, wo sich seit 1985 und insbesondere in unserem Land seit 1989/90 selbstverständliche Denkkonstellationen aufgelöst haben und eine tiefgreifende Neuorientierung im Gang ist. In der gegenwärtigen Situation, wo sich Positionen unter ökonomischen und politischen Zwängen verhärten, kann der an der Akademie in Gang gesetzte Dialog eine geradezu singuläre Aufgabe sein, der Unterschiedlichkeit der Positionen Raum zu geben.
Die Unterschiedlichkeit von Positionen anzuerkennen und auszuhalten, bedeutet jedoch nicht ein Aufgehen im Beliebigen. Die Akademie kann sich auch positionell äußern: Es geschieht zum Beispiel im Bekenntnis und in der Verkündigung bei gottesdienstlichen Veranstaltungen. Es geschieht auch bei der Auswahl von Themen, etwa solcher, die Probleme von Minderheiten aufgreifen oder auch von in Kirche und Gesellschaft nur zögernd angegangenen Themen, wie Fremdenfeindlichkeit, Frauenfeindlichkeit, Antisemitismus, Rechtsextremismus, damit ihrer Nichtbeachtung durch Öffentlichkeitsarbeit entgegengewirkt wird.
Wenige Jahre vor dem Überschreiten der Jahrtausendwende ist das Bedürfnis nach Verstehenshilfen, nach interpretierender Information, nach kritischer und verständnisvoller Wegbegleitung und Orientierung angesichts verbreiteter individueller und gesellschaftlicher Verunsicherung und Sinnkrisen unübersehbar. Die Akademie ist dazu bereit, sich solidarisch auf diese Situation einzulassen, ihre Kompetenzen bei der Bearbeitung der anstehenden Lebensprobleme einzubringen, und hofft darauf, mit Ihnen gemeinsam ihren Weg fortzusetzen.
Dr. Leonore Siegele-Wenschkewitz, 12. Mai 1996
Fromm, eigensinnig, visionär
Die Direktor/innen der Akademie
1946 – 1972
Hans Kallenbach
1972 – 1986
Martin Stöhr
1986 – 1989
Jens Harms
1990 – 1996
Bernhard Moltmann
1996 – 1999
Leonore Siegele-Wenschkewitz
2000 – 2012
Hermann Düringer
1970 – 1998
Klaus Würmell
1999 – 2001
Gerald Hintze
2001 – 2006
Christian Schwindt
2006 – 2012
Ute Knie
2013 – 2021
Thorsten Latzel
seit 2021
Hanna-Lena Neuser
Darum bemühen wir uns in der Evangelischen Akademie: menschliches Leben in seiner Schönheit, in seiner Abgründigkeit und in seiner tiefen inneren Widersprüchlichkeit zu verstehen.