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STADTVISIONALE 2018
"WOHNREVOLUTION"

 

 

Evangelische Akademie Frankfurt
Evangelische Akademie Frankfurt
Evangelische Akademie Frankfurt
Evangelische Akademie Frankfurt

Künstlerische Kurzfilme zum Wohnen in der Evangelischen Akademie Frankfurt
7. Juni 2018

Trotz eines vorausgegangenen Wolkenbruchs eines parallel stattfindenden Stadtlaufs verfolgten etwa 60 Personen den festivalartigen Abend der Stadtvisionale 2018 im wohltemperierten Veranstaltungssaal der Evangelischen Akademie Frankfurt. „Wohnrevolution“ lautete das Motto des Abends mit 11 künstlerischen Kurzfilmen zum Wohnen.

In seiner Begrüßung betonte Christian Kaufmann, der für das Projekt verantwortliche Studienleiter, dass die Akademie als Ort des Diskurses immer unterschiedliche gesellschaftliche Blicke auf Themen miteinander in Beziehung setze und an grenzgängerischen Fragen interessiert sei. Insofern liege ihr der künstlerische Blick auf die Stadt am Herzen, weil er imstande sei, andere Perspektiven auf scheinbar bekannte Strukturen zu legen, egal, ob soziale oder ästhetische und neue Zusammenhänge, neue Bilder zu schaffen.

Bewusst habe man das Medium des künstlerischen Kurzfilmes gewählt, da dieses Medium in konzentrierter zeitlicher Form Dinge auf den Punkt bringen müsse, und damit die Königsdisziplin des Filmemachens darstelle. Der Kurzfilm konzentriere experimentelle Bilder, die uns helfen würden, die Welt neu zu verstehen, uns selbst neu zu verorten, was angesichts drängender globaler Probleme ja auch immer wichtiger zu werden scheine.

Ein viel diskutiertes Thema sei das des Wohnens, zumindest in Ballungsräumen wie der Rhein-Main-Region. Für die einen mit Lifestyle verbunden, für die anderen existenziell und kaum mehr zu bezahlen. Ein Thema, bei dem eine gewisse gesellschaftliche Schieflage aufleuchten würde. Nie sei die Welt des Privaten so politisch wie heute gewesen, um einen Slogan der Frauenbewegung zu aktivieren. Die Gesellschaft brauche dringend einen neuen Blick auf das Thema und der Grenzgang der Kunst könne da wertvolle Hinweise geben.

Hervorgegangen war der Abend mit seinen 11 filmischen Beiträgen aus einem bundesweit ausgeschriebenen Wettbewerb, bei dem etwa 40 Beiträge eingereicht worden waren.
Eine Fachjury, die aus Grit Weber, Stellvertretende Direktorin des Museums angewandte Kunst in Frankfurt, Dr. Justus Jonas, Pressereferent und Kurator der Kunsthochschule in Mainz sowie Gerhard Wissner, Leiter des Kasseler Dok-Festivals, bestand, hatte die Beiträge ausgewählt und darunter auch den Preisträgerfilm der diesjährigen Stadtvisionale gefunden.

So vielfältig wie Alter und Herkunft der Filmemacher*innen waren auch die von ihnen gewählten Stilmittel und Inhalte, mit denen sie an das Thema „Wohnen“ herangetreten sind. Mindestens zwei von ihnen widmeten sich dem Motiv des Zwangs. So zeigte der Film „Zwang“ von Masha Novikova eine gedankliche Klaustrophobie und den Putzzwang einer behinderten Frau, den diese auf ihre Haushaltshilfe überträgt. Zwanghaft, wenn auch mit heiterem Unterton, der Film „Wohnhaft“ von Bernhard Marsch, der diesen selbst als dokumentarisches Porträt eines extensiven Wohners, dessen Universum aus den Fugen geraten ist, bezeichnet. Sehr poetisch dagegen der erste Filmbeitrag des Abends: das Video von Susa Templin, das in einem leerstehenden Haus im ungarischen Keszthely spielt. Hier werden die Zimmer zum Schauplatz performativer Handlungen, die sich um das Zeigen und Verbergen von Räumen, Möbeln und Körpern drehen. Die Fragen, „was ein Haus sagen würde, wenn es reden könnte, welche Geschichten es zu erzählen hätte, was passiert, wenn man einfach mal klingelt?“, beantwortete das Video von Anna Fechtig. – Genau dieses Fragen ließ dagegen das Video von Beate Gördes mit dem Titel „Als einer vom Kölnberg“ offen. Während die Tonspur einem Gedicht folgte, das einen Suizid vom Balkon eines Hochhauses in Köln beschreibt, tasteten die Bilder dessen unwirtliche und verschlossene Fassade ab.

Zunächst ebenfalls eher unzugänglich zeigten sich die rasterartigen Bilder und Oberflächen- Strukturen auf Sandra Webers Video „Surface Of Safety“. Ins Abstrus-Komische dagegen zielte die Geschichte auf dem Video von Lilli Lambert und Louisa Nübel, das die gewohnte Alltagsroutine wie auch gewohnte Rollenverteilungen – etwa bei Frühstücksritualen - in Frage stellte. Ebenfalls fremd erschien zunächst auch das Video von Nikola Kaloyanov, in dem eine junge Koreanerin (auf Koreanisch) von ihrem Leben in Deutschland erzählte. Der fremden Sprache (vermutlich) nicht mächtig, war man erst einmal auf die Bilder des Films verwiesen, während die deutsche Textübersetzung den Abspann des Films bildete.

Ungewohnte Bilder auch auf dem Video von Levent Kunt, der im Industriehafen von Rotterdam auf eine Art Bauernhof und Hühner in der Garage gestoßen war.

In Florian Schurz‘ Film „Über den Dingen“ schließlich verfolgte man ein Gespräch des Filmemachers, das dieser, hoch über den Dächern von Berlin mit einem muslimischen Kranführer und buchstäblich über Gott und die Welt führte.

Die Filme wurden in einzelnen Blöcken gezeigt, dazwischen entspannen sich Interviews mit den anwesenden Filmemacher*innen.

Am Schluss des Abends standen dann die Laudatio (gehalten von Grit Weber) auf den Preisträgerfilm sowie ein Gespräch mit dem Preisträger Rupert Jörg, dessen Film „Flurstrasse 2“ die Mitglieder der Jury überzeugt hatte. In diesem zertrümmert die Protagonistin in einer Art Befreiungsschlag das Mobiliar ihrer Wohnung. – Lustvoll und nicht ohne verhaltene Komik demontiert der Film die Vorstellung häuslicher Behaglichkeit.

Unterstützt wurde das Projekt von der IKEA Stiftung, der Stiftung Polytechnische Gesellschaft Frankfurt am Main, der Sparda-Bank Hessen sowie dem Förderverein der Evangelischen Akademie.

Christian Kaufmann
EAF