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„Fluchtursachen bekämpfen – aber richtig!“

Vorstellung des Friedensgutachtens 2019 beim Frankfurter Friedensforum am 11.06.2019

Evangelische Akademie Frankfurt

Nach der Begrüßung stellte Professorin Claudia Baumgart-Ochse (HSFK) das Friedensgutachten 2019 insgesamt vor. In ihrem Überblick wurde u.a. deutlich, dass die Kriege (11 Stück) und bewaffneten Konflikte (ca. 130 Stück), die zurzeit beobachtet werden, kaum noch zwischen Staaten ausgetragen werden, sondern viel mehr von nichtstaatlichen Akteuren geführt werden (Rebellen, Milizen, Kartellen). Gleichzeitig ist die VN geschwächt, was sich u.a. darin bemerkbar macht, dass Russland und China den Sicherheitsrat durch ihr Vetorecht vermehrt blockieren, sodass viele Konflikte gar nicht bearbeitet werden können. Bei den globalen Friedensmissionen deuten quantitative Studien auf eine vorsichtige positive Bilanz, wobei eine individuelle Betrachtung – aufgrund des großen Gefälles zwischen verschiedenen Missionen – unerlässlich ist. Für Deutschland wäre eine fallspezifische Evaluierung jedes einzelnen Bundeswehreinsatzes dringend notwendig. Schließlich braucht Frieden eine restriktivere Waffenexportpolitik. U.a. müsste der gemeinsame Standpunkt der EU zum Ausfuhr von Militärgütern besser umgesetzt werden. Die genannten Herausforderungen betreffen nicht zuletzt Afrika. Spezifisch wurde kurz auf die Situationen in Mali, Libyen, Sudan und Somalia eingegangen.

Im Anschluss stellte Ruth Vollmer (BICC) die Ergebnisse des Friedensgutachtens im Bereiche „Flucht und Gewalt“ vor. Dabei machte sie deutlich, dass es sich bei der Rekordanzahl an Geflüchtete und vertriebenen Menschen (68,5 Millionen) zunehmend um Langzeitvertriebene handelt. (2017 lag die Anzahl an neu Registrierte auf ca. 2,7 Millionen.) Somit sind die Ursachen des Rekordniveaus u.a. darin zu suchen, dass Geflüchtete und vertriebene Menschen oft weder zurückkehren können noch auf neue Aufnahmeländer verteilt oder am aktuellen Aufenthaltsort integriert werden. Stattdessen bleiben sie – und zum Teil auch ihre Kinder und Enkeln – in Flüchtlingslagern und somit in der Statistik. Mit diesem Wissen in Blick folgt, dass die Abschottungspolitik Europas für die Rekordanzahl an geflüchtete Menschen weltweit direkt mitverantwortlich ist, da die Orte, an denen ein Ankommen möglich ist, sich global gesehen dadurch verringert. An dieser Stelle wurde auch davor gewarnt, dass neun der top-ten-Aufnahmeländer in dem globalen Süden liegen und dass ihr Wille, Geflüchtete und Vertriebene aufzunehmen, durchaus davon abhängen könnte, ob es vorhersehbar ist, dass es sich um ein temporäres Engagement oder eine permanente Aufgabe und Situation handelt. Zusammengefasst sind ein veränderter Charakter (durch die zunehmende Dauer einer Flucht) und veränderte Reaktion auf Flüchtlingskrisen (durch die zunehmende Abwehrhaltung vieler Länder und Regionen) seit den 80er-90ern zu beobachten. In diesem Zusammenhang wurden sowohl die europäischen Migrationspakte und Mobilitätspartnerschaften also auch Aspekte von der deutschen Entwicklungszusammenarbeit mit verschiedenen afrikanischen Staaten scharf kritisiert (u.a. dafür, dass Maßnahmen zur Fluchtursachenbekämpfung eher die Kontrolle oder sogar Verhinderung von Migration dienen). 

Im anschließenden Podiumsgespräch sprachen Frau Sabine Müller-Langsdorf (Friendensbeauftragte der EKHN und der EKKW) und Frau Steffanie Wahl (Vorsitzende der deutschen Sektion von Pax Christi) darüber, wie sie – als zivilgesellschaftliche Expertinnen – die Analyse des Friedensgutachtens beurteilen und wie ihre Empfehlungen sich zum Teil auch von der Wissenschaft unterscheiden. Anschließend wurde mit allen vier Gästen darauf eingegangen, wie Deutschland seinen nichtständigen Sitz im Sicherheitsrat 2019/20 benutzen solle und könne sowie wofür Deutschland sich im Rahmen der europäischen Zusammenarbeit in der EU einsetzen sollte. Schließlich gab es Zeit für Fragen und Kommentare aus dem Publikum. Dabei wurden die eingeladenen Friedensforscherinnen für ihre klaren Worte und Deutlichkeit in Bezug auf Analyse und Empfehlungen gelobt.