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Hat Nathan ausgedient? Von Lessing zu Habermas

Evangelische Akademie Frankfurt
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Die Religion wurde oft totgesagt und lebt doch weiter. Neben den beiden (längst schon nicht mehr so) großen christlichen Kirchen gibt es heute in unserem Land eine große Anzahl von Muslimen, außerdem eine ganze Reihe anderer Religionen neben Islam, Judentum und Christentum. Viele Menschen, nicht nur im Osten Deutschlands, sehen sich aber überhaupt nicht als „religiös" und unterstellen den Religionen und insbesondere den Kirchen, (viel) zu viel Einfluss in der Gesellschaft zu haben. Der Evolutionsbiologe Richard Dawkins spricht gar von einem „Gotteswahn", der gefährlich sei und den es zu verabschieden gelte.
Demgegenüber hat der Philosoph Jürgen Habermas im vergangenen Jahr im hohen Alter von 90 Jahren ein Buch veröffentlicht, in dem er eine neue, durchaus positive Sicht auf Religion eröffnet: „Auch eine Geschichte der Philosophie". Die Veranstalter, die Evangelische Akademie Frankfurt und der Kirchenpolitische Beirat der SPD Hessen, meinten, es lohne sich, in diesem Werk nach Impulsen für die Gegenwart zu suchen.
Eine knappe, sehr dichte Einführung in das ebenso gehaltvolle wie umfangreiche (nahezu 1.800 Seiten) Alterswerk von Habermas gab PD Dr. phil. Magnus Schlette, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg (Mitglied des Großen Konvents der Ev. Akademie Frankfurt). Es schloss sich unter der Moderation von Studienleiter Dr. Eberhard Pausch ein Dialog an, an dem sich Frau Dr. Angelica Dinger (Theologin und Geschäftsführerin des Arbeitskreises Christinnen und Christen in der SPD) mit einer Replik auf das Eingangsreferat sowie Frau Heike Hofmann, MdL (Juristin und Vizepräsidentin des Hessischen Landtags, SPD) mit einem zusammenfassenden Schlussvotum beteiligten.
Die Grundthese, die sich im Laufe des Podiumsgesprächs herauskristallisierte, stimmte in doppelter Hinsicht optimistisch:
Zum einen wurde von Habermas' Werk aus die bleibende Bedeutung der Religion(en) unterstrichen. Denn in seiner aktuellen Deutung der europäischen Geistesgeschichte werden explizit die noch „unabgegoltenen semantischen Gehalte" gewürdigt, die sich in den Gottesdiensten, den Sakramenten und den Riten religiöser Verständigung (nicht nur im Christentum) fänden – sie seien, so der Philosoph, ein „Pfahl im Fleische einer Moderne, die dem Sog zu einem transzendenzlosen Sein nachgibt".
Zum anderen wurde in einem weiten geistesgeschichtlichen Bogen von Gotthold Ephraim Lessing bis Habermas die Möglichkeit eines friedlichen und fruchtbaren Dia- und Trialogs der Religionen und Kulturen (anstelle eines „Clash of Civilizations, so Samuel P. Huntington) bekräftigt. Lessings Blaupause eines konviventen Miteinanders der Religionsgemeinschaften, die er in seinem Drama „Nathan der Weise" entwarf, hat in (zum Teil erheblich) modifizierter Form auch für Habermas Gültigkeit – so das durchaus überraschende Resultat des multiperspektivischen Gesprächs.
Ein Baustein von Habermas' komplexer Argumentation folgt dabei der von Karl Jaspers 1949 skizzierten These der „Achsenzeit" (die von 800 vor Christus bis etwa 200 nach Christus reiche) – einer Epoche, in welcher die Gesellschaften von vier voneinander unabhängigen Kulturräumen gleichzeitig bedeutende philosophische und technische Fortschritte gemacht hätten, im Sinne eines synchronen Parallelismus der Kulturen.
Der ursprünglich als öffentliche Kopräsenz-Veranstaltung geplante Abend musste wegen der Covid-19-Pandemie in „hybrider" Form (als Onlineveranstaltung mit wenigen Anwesenden) stattfinden. Das „Livestreaming" aus dem Großen Saal der Akademie sowie die anschließende Veröffentlichung der Aufzeichnung fanden große Resonanz auf verschiedenen Kanälen:

a)      Youtube-Kanal der Akademie:

https://www.youtube.com/watch?v=f2p47B-NrTo.

(bis zum 8.9.2020 insgesamt 185 Aufrufe)

b)      Facebook-Präsenz der Akademie:

https://www.facebook.com/Ev.Akademie/?notif_id=1599554469678566&notif_t=scheduled_post_published&ref=notif.

(bis zum 8.9.2020 insgesamt 631 Aufrufe)

c)      „Offener Kanal“ (Mediathek Hessen):

https://www.mediathek-hessen.de/medienview_21979_von-Evangelische-Akademie-Frankfurt-Markus-Schmid-Frankfurt-Hat-Nathan-ausgedient-Von-Lessing-bis-Habermas.html.

(bis zum 8.9.2020 insgesamt 231 Aufrufe)

a)      + b) +c) = 1.047 Aufrufe insgesamt (bis 8.9.2020)

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 Rund drei Wochen nach der Onlinediskussion haben somit mehr als 1.000 Aufrufe stattgefunden. Es ist zu hoffen, dass die doppelte Botschaft des Abends sich auf diese Weise erheblich ausbreiten und multiplizieren kann. „Nathan“ hat eben nicht ausgedient, aber er muss für unsere Zeit neu interpretiert und umgesetzt werden.