Kampf der Kulturen
Kultur, Religion und Identität
Anlass und Hintergrund der Veranstaltung:
1996, vor 25 Jahren, erschien das Buch „Kampf der Kulturen“ des renommierten US-amerikanischen Politikwissenschaftlers Samuel P. Huntington (1927-2008) und löste schon unmittelbar nach seinem Erscheinen eine große Debatte aus. Diese weitete sich nach den Terror-Anschlägen des 11. September 2001 in New York und Washington erst recht aus und wurde immer hitziger und komplexer. Nach einem Vierteljahrhundert war es an der Zeit, die Diskussion noch einmal mit etwas Abstand zu betrachten. Dabei zeigte sich, dass die damalige Kernthese Huntingtons identitätspolitisch gemeint war und insofern von höchster Relevanz für gegenwärtige Debatten um Identitätspolitik.
Folgende Themenfacetten spielten im Ablauf der Tagung eine Rolle und wurden fachlich durch die hier genannten Personen vertreten:
- a) Friedensethik: Dirck Ackermann/Ev. Kirchenamt für die Bundeswehr, Prof. Dr. Sarah Jäger, Dr. Sylvie Thonak
- b) Friedenspolitik: Dr. Christopher Daase (HSFK), Prof. Dr. Eva Senghaas-Knobloch, Dr. Simone Wisotzki (HSFK)
- c) Identitätspolitik: Dr. Ulrike Auga, Prof. Dr. Meron Mendel, Dr. Anette Weidhas
- d) Trialog der monotheistischen Weltreligionen: Ilona Klemens/Christentum, Daniel Neumann/Judentum, Prof. Dr. Reza Hajatpour/Islam
- e) Geschichte, historische Perspektiven: Dr. Lukas Bormann, Prof. Dr. Ursula Büttner
In der multiperspektivisch geführten Diskussion spielten u.a. folgende Gedanken und Aspekte eine Rolle: Auch wenn der englische und deutsche Titel den Blick auf die Kulturen/Kulturkreise und Zivilisationen richten, geht es in dem Buch, wenn man seine Tiefengrammatik beachtet, um das, was heute Identitätspolitik heißt. Diese ist bekanntlich aktueller und brisanter denn je. Denn Huntington betont zwar markant: „Kultur zählt“ („culture counts“). Aber was für ihn wirklich zählt, wird in den unmittelbar an diese These anschließenden Ausführungen deutlich: Es geht ihm nämlich um die „Identität der Kulturen“, also nicht um die Kulturen an sich. „Das zentrale Thema dieses Buches lautet: Kultur und die Identität von Kulturen, auf höchster Ebene also die Identität von Kulturkreisen, prägen heute, in der Welt nach dem Kalten Krieg, die Muster von Kohärenz, Desintegration und Konflikt.“ Die Grundfrage der Völker und Nationen lautet nach Huntington: „Wer sind wir?“. Das ist unzweifelhaft die Frage nach der Identität. Für Logiker anders als für Historiker und Politikwissenschaftler eine recht einfache Frage. Denn Identität besagt im logischen Sinne: A ist gleich A. Mit der Identität ist aber immer auch die Differenz verbunden: A ist ungleich B. Wenn dem so ist, was ist dann bzw. was wäre dann „Identitätspolitik“? Eine Politik, die A als A erkennbar werden lässt? Eine Politik, die A gleich A sein lässt und sorgfältig von B unterscheidet? Eine Politik, die A als A identifiziert und keine Gemeinsamkeiten mit B erkennen kann? Eine Politik, die A aufwertet, ohne dabei B in den Blick zu nehmen? Oder eine Politik, die das einstmals abgewertete A auf Kosten und zu Lasten von B aufwertet? Gegen die erste und die zweite Variante wäre ethisch nichts einzuwenden. Gegen die dritte, vierte und fünfte schon. Jedenfalls dann, wenn man von einer gleichen Würde aller Menschen ausgeht, die in Artikel 1,1 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland als „unantastbar“ bezeichnet wird und die nach christlichem Verständnis in der Gottebenbildlichkeit aller Menschen begründet ist.
Die Veranstaltung wird in der Mediathek der Akademie noch ausführlich dokumentiert werden. Die noch zu schneidenden und insofern noch in der Bearbeitung begriffenen Filme werden in der Mediathek und im Youtube-Kanal der Akademie dauerhaft öffentlich verfügbar werden: https://www.evangelische-akademie.de/mediathek/medien/?event=1117.
Die schriftlich vorliegenden Beiträge zur Tagung werden von allen Beteiligten als sehr bedeutsam eingeschätzt. Daher soll in Absprache mit der Evangelischen Verlagsanstalt (EVA/Leipzig) die Tagungsdokumentation in Buchform erscheinen. Die Publikation ist für das Frühjahr 2022 vorgesehen. Herausgeber sind Sarah Jäger und Eberhard Pausch. Die Akademie ist der Ev. Militärseelsorge sehr dankbar, dass durch ihren großzügigen Zuschuss die avisierte Publikation möglich werden wird.