Menü Menü Menü Menü

Krieg in Europa

Das transatlantische Bündnis nach Russlands Angriff der Ukraine

Die Veranstaltung fand in Präsenz in Großen Saal der Evangelischen Akademie statt. Zusätzlich zu dem Publikum vor Ort hatte sich viele Personen angemeldet, um per Livestream an der Veranstaltung teilzunehmen, u.a. Teilnehmende aus dem Auswärtigen Amt und dem Bundestag, auch von den Botschaften mittel- und osteuropäischer Länder. Die Veranstaltung wurde in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) durchgeführt. Zu Gast waren Bascha Mika, die ehemalige Chefredakteurin der Frankfurter Rundschau und Mitglied im Stiftungsrat des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels, außerdem Reinhard Veser, der Osteuropa-Experte der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, sowie der Transatlantik-Experte Dr. Dominik Tolksdorf von der DGAP. Moderiert wurde die Podiumsdiskussion von Andreas Schwarzkopf von der Frankfurter Rundschau, einem ausgewiesenen Kenner der transatlantischen Beziehungen. Inhaltlich vorbereitet wurde die Veranstaltung von Studienleiterin Dr. Margrit Frölich (Evangelische Akademie Frankfurt) und Christoph Kehr-von Plettenberg (DGAP). Das Publikum beteiligte sich mit sachkundigen Wortbeiträgen rege an der Diskussion.

Ausgangspunkt der Podiumsdiskussion war die Frage, wie die derzeitige Lage zu beurteilen sei und welche Perspektiven sich daraus im Hinblick auf ein mögliches Ende des Krieges ableiten. In ihrer Einführung zitierte Dr. Margrit Frölich den amerikanischen Historiker Timothy Snyder. Er hatte geäußert, der Krieg in der Ukraine werde enden, wenn ukrainische militärische Siege die russischen politischen Realitäten verändert haben. Dieser Prozess sei laut Timothy Snyder bereits im Gange. Die Podiumsdiskussion widmete sich zunächst der Frage, ob es überhaupt Perspektiven für einen Frieden in absehbarer Zeit gibt, oder ob die einzige Perspektive darin besteht, den Krieg solange weiterzuführen, bis für eine der beiden kriegführenden Seiten Friedensverhandlungen sinnvoll und notwendig erscheinen. Die Journalistin Bascha Mika hob hervor, dass die meisten Kriege durch Verhandlungen beendet werden. Sie forderte eine diplomatische Offensive. Zwar beurteilte Mika die derzeitigen Erfolgsaussichten einer diplomatischen Initiative skeptisch, doch dürfe man nichts unversucht lassen, argumentierte sie. Schwieriger war die Frage zu beantworten, auf welchen Grundlagen eine solche diplomatische Offensive erfolgversprechend sein könnte, das heißt, an welche Bedingungen sie geknüpft sein müsste (Abzug der russischen Truppen aus den besetzten Gebieten, Frage der Krim, NATO-Beitritt der Ukraine, Sicherheitsgarantien für die Ukraine, etc.). Der Osteuropa-Experte der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Reinhard Veser, stellte dar, wie der Krieg aus mittel- und osteuropäischer Perspektive wahrgenommen werde und in der Ukraine selbst. In Mittel- und Osteuropa herrsche die Einschätzung, dass Friedensverhandlungen mit Russland derzeit nicht möglich sind, erläuterte Veser. Die baltischen Staaten fühlen sich unmittelbar von Russland bedroht. Für diese Länder geht es in der Ukraine unmittelbar um die eigene Sicherheit. Da dort Russisch gesprochen und verstanden wird und sprachliche Codes entziffert werden können, hätten die Menschen ein genaues Gespür dafür, was in Russland in Bezug auf den Angriff in der Ukraine passiert. Problematisch eingeschätzt werden in Mittel- und Osteuropa die Versuche des Westens während der letzten acht Jahre, Russland entgegenzukommen. So habe die mangelnde Festigkeit des Westens (etwa bei Nord Stream 2) Russland letztendlich zu seinem brutalen kriegerischen Handeln ermutigt. In der Ukraine selbst gebe es einen starken Konsens, dass man nicht kapitulieren dürfe und alle besetzten Gebiete zurückerobert werden müssten. Denn dem Land und den Menschen würde jegliche Zukunft genommen, wenn Russland sich durchsetzen würde. Einigkeit besteht in der Ukraine darüber, dass man keine Zugeständnisse gegenüber Russland machen dürfe. Unterschiede gibt es laut einer Studie lediglich in der Priorisierung: ob die territoriale Integrität stärker zu gewichten sei oder die Erhaltung einer vollständigen Souveränität. Der Experte für die transatlantischen Beziehungen, Dr. Dominik Tolksdorf, führte aus, wie die Diskussion um den Krieg in der Ukraine in Washington geführt werde. Er beschrieb die Haltung des amerikanischen Präsidenten Biden dahingehend, dass es diesem darum gehe, der Ukraine zu einer Position der Stärke zu verhelfen, aus der heraus sie dann in Verhandlungen mit Russland eintreten könne. Dieser Ansatz werde parteiübergreifend weitgehend geteilt, erläuterte der Politikwissenschaftler. Wenn zwar insbesondere von Seiten der Republikaner, jedoch auch von Teilen der Demokraten, die Frage aufgeworfen werde, ob die immense Unterstützung der Ukraine sowohl in finanzieller als auch in militärischer Hinsicht angemessen sei, und ob es nicht notwendiger wäre, das Geld für Investitionen in den USA auszugeben, so werde doch die Ukrainehilfe der USA in Washington nicht grundsätzlich in Frage gestellt. Nach Tolksdorfs Einschätzung werde sich die Ukrainepolitik der USA bis zur nächsten Präsidentschaftswahl nicht grundsätzlich ändern. Auch in Europa gäbe es derzeit keine Anzeichen dafür, dass sich die Unterstützung der Ukraine grundsätzlich ändern werde. Weitere Themen, die im Verlauf der Veranstaltung diskutiert wurden, waren neben Fragen der deutschen und europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik auch die künftige Ausrichtung der Energiepolitik. Europa, so die Feststellung der Gesprächspartner*innen, sei infolge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine enger zusammengerückt.