6. RadioNetzwerkTag

Netzwerktagung mit Preisverleihung 

Nach zwei digitalen Jahren konnte der RadioNetzwerkTag am 1. Dezember 2022 erstmals wieder in Präsenz stattfinden. In der lichtdurchfluteten Evangelischen Akademie im Herzen des Frankfurter Weihnachtsmarkts versammelten sich Radiomacher*innen, Radio-Newcomer*innen und alle Interessierten, um über das Radiomachen heute und Trends in der Audiolandschaft zu diskutieren.

Nach einführender Keynote verteilten sich die Teilnehmenden auf die Seminarräume, um in Workshops Themen wie der Musikmoderation oder dem Aufbau einer Digitalmarke nachzugehen. Verliehen wurde im Rahmen des RadioNetzwerkTages zudem das RADIOSIEGEL, welches Radiosender mit einer besonders fundierten und multimedialen Ausbildung auszeichnet. 27 Radiosender nahmen im Großen Saal der Akademie die Auszeichnung der Jury entgegen.

Der RadioNetzwerkTag ist eine Veranstaltung der Grimme-Akademie, der Hessischen Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien (LPR Hessen), der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK), der Medienanstalt Rheinland-Pfalz und der Evangelischen Hörfunkschule Frankfurt. Unterstützer sind die ARD.ZDF.medienakademie sowie die Evangelische Akademie Frankfurt.

Die Grimme-Akademie bedankt sich bei der Evangelischen Akademie Frankfurt für die professionelle Zusammenarbeit und den freundlichen Umgang.

16. Tehillim-Psalmen-Reflexionsgespräch über Psalm 137

„An den Strömen Babels saßen wir und weinten“

Das 16. Tehillim-Psalmen-Projekt, war dem 137. Psalm gewidmet, der mit dem bekannten Vers beginnt: „An den Strömen Babels saßen wir und weinten“ (Luther 2017: „An den Wassern zu Babel saßen wir und weinten, wenn wir an Zion gedachten.“) In der weiteren Öffentlichkeit wurde er wohl in den vergangenen Jahrzehnten durch die Afropop-Gruppe „Boney M“ bekannt, die aus Teilen der Textvorlage einen lustig-fröhlichen Popsong kreiierte. Die positive Stimmung dieser musikalischen Interpretation passt jedoch weder zu dem Anliegen eines Exils- noch eines Rache-Psalms – und dies sind die beiden entscheidenden Seiten der Medaille des Bibeltextes.

Der Psalm 137 erinnert eingangs an die Situation Israels im babylonischen Exil. Es ist eine Situation der Trauer und der Klage. Zwar sind – anders als die Mär es glauben machen will – nur einige Teile der Oberschicht Israels nach Babylon deportiert worden, also keineswegs das ganze oder auch nur das halbe Volk. Aber das dadurch erzeugte Trauma übertrug sich auf die Seele des Volkes Israel und schlug sich in vielem Textzeugnissen nieder.

Aber nicht nur Trauer und Klage werden sichtbar, auch Rachegefühle kommen bei den Unterdrückten auf, und es wird explizit zu Tötungen, sogar zu Tötungen von Kindern, aufgerufen: „Tochter Babel, du Verwüsterin, wohl dem, der dir vergilt, was du uns getan hast! Wohl dem, der deine jungen Kinder nimmt und sie am Felsen zerschmettert!“ Wenn man solche Verse nicht allegorisierend verharmlost, sondern ihren Literalsinn ernstnimmt, dann ist es sehr wohl geboten, hier Sachkritik zu üben. Das geschah im von Helwig Wegner-Nord moderierten Reflexionsgespräch von mehreren Seiten aus.

Insbesondere wurde dabei die alevitische Sichtweise deutlich. Die Aleviten, im Gespräch vertreten durch Yilmaz Kahraman M. A., wurden dabei als eine Religionsgemeinschaft sichtbar, die zwar Wurzeln im schiitisch geprägten Islam hat, aber durchaus eigenständige Entwicklungen durchlaufen hat. Über lange Zeit wurden die Aleviten von der Mehrheit der (sunnitischen) Muslime als „Häretiker“ unterdrückt und verfolgt, und auch heute noch finden sie sich oft in einer ähnlichen Lage vor. Deshalb fühlen sie sich wohl den ersten Versen des Psalms 137 besonders verwandt, während sie die dem Rachegedanken geltenden Schlussverse kritisch sehen. Nach ihrer Sichtweise seien ohnehin alle Religionen gleichwertig, und man suche mit allen ein gutes Einvernehmen.

Die Vertreterin des Judentums, Prof. Elisa Klapheck, verwies darauf, dass der Rachegedanke nicht das Primäre im Psalm sei; der Akzent liege wohl eher auf „Vergeltung“ als auf Rache. Die semantische Differenz dieser beiden Begriffe wurde nicht von allen Anwesenden als erheblich eingeschätzt. Die ersten beiden Verse des Psalms läsen sich, so Frau Klapheck, in rabbinischen Interpretationen noch einmal anders: Anstelle der Kopula „und“ nähme man im ersten Vers ein „auch“ (hebräisch: „gam“) wahr, und das Aufhängen der Harfen bzw. Zithern an den Bäumen meine wohl weniger „Resignation“ als eine Art von „Streik“.

Prof. Siegfried Krückeberg als Repräsentant der christlichen Religion (in evangelischer Gestalt) rekonstruierte als das Hauptanliegen des durchaus ambivalenten Psalms die Frage: „Wie können wir unsere Identität in der Diaspora bewahren?“, ein Thema, das alle Religionen betreffen könne, wenn sie sich in einer Minderheitensituation vorfinde.

Insgesamt waren etwa 80 Präsenzgäste vor Ort, die sich im letzten Drittel der Veranstaltung lebhaft mit Fragen und Anmerkungen in das Gespräch einbrachten: https://www.youtube.com/watch?v=Mj_MHxtXvwE. Gegenüber dem letzten Jahr stellt dies eine erhebliche zahlenmäßige Steigerung dar. Wohl auch deshalb waren diesmal weniger Teilnehmende per „Zoom“ zugeschaltet als im Vorjahr. Da das Video auf dem Youtube-Kanal der Akademie auch weiterhin verfügbar bleiben wird, ist jedoch eine breitere Rezeption des inhaltlich sehr dichten Gesprächs erwartbar.

Krieg in Europa

Das transatlantische Bündnis nach Russlands Angriff der Ukraine

Die Veranstaltung fand in Präsenz in Großen Saal der Evangelischen Akademie statt. Zusätzlich zu dem Publikum vor Ort hatte sich viele Personen angemeldet, um per Livestream an der Veranstaltung teilzunehmen, u.a. Teilnehmende aus dem Auswärtigen Amt und dem Bundestag, auch von den Botschaften mittel- und osteuropäischer Länder. Die Veranstaltung wurde in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) durchgeführt. Zu Gast waren Bascha Mika, die ehemalige Chefredakteurin der Frankfurter Rundschau und Mitglied im Stiftungsrat des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels, außerdem Reinhard Veser, der Osteuropa-Experte der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, sowie der Transatlantik-Experte Dr. Dominik Tolksdorf von der DGAP. Moderiert wurde die Podiumsdiskussion von Andreas Schwarzkopf von der Frankfurter Rundschau, einem ausgewiesenen Kenner der transatlantischen Beziehungen. Inhaltlich vorbereitet wurde die Veranstaltung von Studienleiterin Dr. Margrit Frölich (Evangelische Akademie Frankfurt) und Christoph Kehr-von Plettenberg (DGAP). Das Publikum beteiligte sich mit sachkundigen Wortbeiträgen rege an der Diskussion.

Ausgangspunkt der Podiumsdiskussion war die Frage, wie die derzeitige Lage zu beurteilen sei und welche Perspektiven sich daraus im Hinblick auf ein mögliches Ende des Krieges ableiten. In ihrer Einführung zitierte Dr. Margrit Frölich den amerikanischen Historiker Timothy Snyder. Er hatte geäußert, der Krieg in der Ukraine werde enden, wenn ukrainische militärische Siege die russischen politischen Realitäten verändert haben. Dieser Prozess sei laut Timothy Snyder bereits im Gange. Die Podiumsdiskussion widmete sich zunächst der Frage, ob es überhaupt Perspektiven für einen Frieden in absehbarer Zeit gibt, oder ob die einzige Perspektive darin besteht, den Krieg solange weiterzuführen, bis für eine der beiden kriegführenden Seiten Friedensverhandlungen sinnvoll und notwendig erscheinen. Die Journalistin Bascha Mika hob hervor, dass die meisten Kriege durch Verhandlungen beendet werden. Sie forderte eine diplomatische Offensive. Zwar beurteilte Mika die derzeitigen Erfolgsaussichten einer diplomatischen Initiative skeptisch, doch dürfe man nichts unversucht lassen, argumentierte sie. Schwieriger war die Frage zu beantworten, auf welchen Grundlagen eine solche diplomatische Offensive erfolgversprechend sein könnte, das heißt, an welche Bedingungen sie geknüpft sein müsste (Abzug der russischen Truppen aus den besetzten Gebieten, Frage der Krim, NATO-Beitritt der Ukraine, Sicherheitsgarantien für die Ukraine, etc.). Der Osteuropa-Experte der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Reinhard Veser, stellte dar, wie der Krieg aus mittel- und osteuropäischer Perspektive wahrgenommen werde und in der Ukraine selbst. In Mittel- und Osteuropa herrsche die Einschätzung, dass Friedensverhandlungen mit Russland derzeit nicht möglich sind, erläuterte Veser. Die baltischen Staaten fühlen sich unmittelbar von Russland bedroht. Für diese Länder geht es in der Ukraine unmittelbar um die eigene Sicherheit. Da dort Russisch gesprochen und verstanden wird und sprachliche Codes entziffert werden können, hätten die Menschen ein genaues Gespür dafür, was in Russland in Bezug auf den Angriff in der Ukraine passiert. Problematisch eingeschätzt werden in Mittel- und Osteuropa die Versuche des Westens während der letzten acht Jahre, Russland entgegenzukommen. So habe die mangelnde Festigkeit des Westens (etwa bei Nord Stream 2) Russland letztendlich zu seinem brutalen kriegerischen Handeln ermutigt. In der Ukraine selbst gebe es einen starken Konsens, dass man nicht kapitulieren dürfe und alle besetzten Gebiete zurückerobert werden müssten. Denn dem Land und den Menschen würde jegliche Zukunft genommen, wenn Russland sich durchsetzen würde. Einigkeit besteht in der Ukraine darüber, dass man keine Zugeständnisse gegenüber Russland machen dürfe. Unterschiede gibt es laut einer Studie lediglich in der Priorisierung: ob die territoriale Integrität stärker zu gewichten sei oder die Erhaltung einer vollständigen Souveränität. Der Experte für die transatlantischen Beziehungen, Dr. Dominik Tolksdorf, führte aus, wie die Diskussion um den Krieg in der Ukraine in Washington geführt werde. Er beschrieb die Haltung des amerikanischen Präsidenten Biden dahingehend, dass es diesem darum gehe, der Ukraine zu einer Position der Stärke zu verhelfen, aus der heraus sie dann in Verhandlungen mit Russland eintreten könne. Dieser Ansatz werde parteiübergreifend weitgehend geteilt, erläuterte der Politikwissenschaftler. Wenn zwar insbesondere von Seiten der Republikaner, jedoch auch von Teilen der Demokraten, die Frage aufgeworfen werde, ob die immense Unterstützung der Ukraine sowohl in finanzieller als auch in militärischer Hinsicht angemessen sei, und ob es nicht notwendiger wäre, das Geld für Investitionen in den USA auszugeben, so werde doch die Ukrainehilfe der USA in Washington nicht grundsätzlich in Frage gestellt. Nach Tolksdorfs Einschätzung werde sich die Ukrainepolitik der USA bis zur nächsten Präsidentschaftswahl nicht grundsätzlich ändern. Auch in Europa gäbe es derzeit keine Anzeichen dafür, dass sich die Unterstützung der Ukraine grundsätzlich ändern werde. Weitere Themen, die im Verlauf der Veranstaltung diskutiert wurden, waren neben Fragen der deutschen und europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik auch die künftige Ausrichtung der Energiepolitik. Europa, so die Feststellung der Gesprächspartner*innen, sei infolge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine enger zusammengerückt.

#Change. Ausstellung für Veränderung

24-Stundentagung mit Ausstellungsbesuch

Das Projekt #Change adressierte das gesellschafspolitische Problem, dass das Erdklima durch den menschengemachten Treibhauseffekt wärmer wird. Dies beeinflusst die Lebensvoraussetzungen auf dem Planeten und stellt eine ernsthafte Bedrohung der Schöpfung, des sozialen Zusammenhalts und der globalen Chancengerechtigkeit dar. Obwohl wir Menschen darum wissen und fast alle Staaten der Erde sich einig sind, dass die Temperaturerhöhung auf 1,5 Grad zu begrenzen ist, sind wir laut IPCC derzeit auf dem Weg zu einer Erwärmung von 3,2 Grad bis 2100. Das heißt: eigentlich wissen wir seit Jahren, dass wir etwas gegen die Klimakrise tun müssen und doch passiert zu wenig. Im Projekt stellen wir die Frage: Warum führt Wissen nicht automatisch zum Handeln? Wie entsteht Veränderung – persönlich und gesellschaftlich? Wie spricht man über die Klimakrise und Veränderungsnotwendigkeit, ohne Widerstände, Überforderung oder Resignation auszulösen?

Im Frühjahr fanden zwei Teile des Projekts „#Change. Werkstatt für Veränderung“ statt. Die Gruppe setzte sich mit dem Thema Transformation und Veränderung auseinander und setzte Gedanken, Botschaften und Anliegen künstlerisch um. Die Werke, die in den verschiedenen Workshops entstanden, bilden seit dem 13. Oktober das Vorwort zu der Ausstellung „KLIMA_X“. Sie haben einen prominenten Platz bekommen und sind hochwertig aufbereitet worden. So erhalten die Teilnehmenden öffentliche Aufmerksamkeit für ihre Positionen und Perspektiven. Die Ausstellung ist bis zum 28. August 2023 im Museum für Kommunikation in Frankfurt zu sehen. Alle Teilnehmenden waren zur Ausstellungseröffnung eingeladen und haben als Dankeschön für ihre Mitwirkung freien Museumseintritt während des gesamten Ausstellungszeitraums.

Um den Teilnehmenden eine Chance zu geben, die Ausstellung in Ruhe zu erkunden und ihre Werke vor Ort zu sehen, organisierten wir die 24-Stundentagung „#Change. Ausstellung für Veränderung“ als Folgeveranstaltung am 14.-15. Oktober. Durch die öffentliche Ausschreibung dieses Angebots ermöglichten wir auch neuen Teilnehmenden einen Einstieg in die Thematik der Klimakrise, -kommunikation und des eigenen Handlungsspielraums.  

Die Ausstellung vermittelt nicht nur Wissen rund um die Klimakrise und ihre bisherige Vermittlung. Sie lädt auch dazu ein, über Zukunftsentwürfe und neue Narrative nachzudenken sowie dazu, eigene Botschaften an Mitmenschen, Politik und Wirtschaft zu formulieren. Als Zeichen der Wertschätzung führten zwei Personen aus dem Kurator*innenteam durch die Ausstellung, bevor die Veranstaltung mit einem Abendprogramm und am nächsten Tag mit einem Workshop und Projektarbeit weiterging. Hier hatten die Teilnehmenden die Möglichkeit, eigene kleine Kommunikationsprodukte zu entwickeln und Ideen für eine mögliche Weiterarbeit zu brainstormen. Wir luden dazu ein, das Museum als Medium oder auch die (Junge) Akademie als Plattform zu nutzen. Von den drei Ideen, die entstanden, wird eventuell eine vom Museum umgesetzt (kleine #ChangeChallenges die den Museumsbesuchenden zum Ausprobieren mitgeben werden können) während eine andere Idee von der Gruppe selbst noch weiterverfolgt wird (ein Klimacafé mit Impulsen, Diskussion und „Machen“).

So ging es bei dieser Tagung weniger um Veränderung an sich und mehr darum, wie „Veränderungsnotwendigkeit“ und Klimaschutzmaßnahmen kommuniziert werden können. Hier kamen wir sowohl auf biblische Gleichnissen zu sprechen als auch auf wissenschaftliche Wirksamkeitsbefunden. Klar wurde, dass die Teilnehmenden vor allem eine Chance in der Krise sehen: eine Chance, etwas zu retten und mit besserem Gewissen in einer faireren und nachhaltigeren Welt zu leben. Mit Verzicht hat es für sie wenig zu tun. Ein werte- und möglichkeitsbasiertes „Framing“ ist, was sie sich wünschen; eine politische Kommunikation, die Mut macht und den Sinn und Richtigkeit klimaschützender Veränderungen unterstreicht. Oder wie es auf einer Moderationskarte stand: „Hey Olaf, sei unser Roosevelt, sei unser Churchill!“  

Brand new? Demokratie

Sommerakademie der Jungen Akademie 2022

Unsere Sommerakademie startete im September und im Vergleich zum Auftakt des Jahrgangs war direkt spürbar, dass aus einer Gruppe ehemals Fremder ein Team - eine Gemeinschaft entstanden ist. Die Freude über das Wiedersehen und auf die gemeinsame, intensive Zeit war von Beginn an spürbar. Von den 19 Stipendiat/innen des aktuellen Jahrgangs fehlte zur Sommerakademie nur eine Person, die leider im Vorfeld erkrankt war.

Am 08.09. ging es direkt im Anschluss an das Abendessen mit einer gemeinsamen Willkommensrunde los: „Wie geht es mir gerade?“, „Wie bin ich hier?“, „Wie schätze ich den Stand unseres Projektes ein?“ und „Was sollte an diesem Wochenende (nicht) passieren?“  Zu diesen Fragen hat sich jede Person mit Hilfe der Methode „Landkarte der Befindlichkeiten“ im Kreis mitgeteilt. Die Runde war persönlich und vertraut und hat so zu einem herzlichen und einladenden Rahmen für den Einstieg in die inhaltliche Arbeit beigetragen. Besonders bereichert wurde der erste Abend auch durch die Anwesenheit von Annette Lorenz und Stina Kjellgren sowie von Pia Snella (HLZ). Gemeinsam mit Hanna-Lena Neuser und mir bildeten wir ein sichtbar kooperierendes Team rund um die Zielgruppe „Jugend“ und konnten den Stipendiat/innen so auch noch einen tieferen Einblick ermöglichen in die Angebotsstruktur der EA und der HLZ. Letztere wird nun eine Projektidee (Demokratiedeckel) aus der JA auch für die eigene politische Bildungsarbeit rund um die anstehenden Landtagswahlen nutzen. Zudem konnte Annette Lorenz zwei Stipendiatinnen aus der JA als zukünftige Teilnehmerinnen zur Team.Bilden Ausbildung gewinnen.

Im Anschluss an den ausführlichen Austausch in der großen Gruppe hatten alle vier Projekt-Teams für eine halbe Stunde Gelegenheit, projektbezogene Ziele und den Fokus für das Wochenende zu setzen. Alle Teams hatten sich im Vorfeld explizit viel offene Projektzeit (anstelle von uns vorgegebenem Input) gewünscht, um an der Entwicklung der eigenen Projektideen weiterarbeiten zu können. Da die Teilnehmenden z.T. weit voneinander entfernt wohnen, sind diese gemeinsamen Tage vor Ort im Martin-Niemöller-Haus ein ganz essentieller Bestandteil für das Fortführen und Gelingen der Projekte.

So standen der Freitag und der Samstagvormittag dann auch ganz im Zeichen der gruppenzentrierten Projektarbeit. Für das gesamte Wochenende bezog jedes Teams einen Arbeitsraum und im Laufe des Tages füllten sich Flipcharts, Metapinnwände und Klebezettel in den Räumen. Hanna-Lena Neuser, Pia Snella und ich begleiteten die Teams bedarfsorientiert und halfen aus mit Feedback und Hintergrundinfos. Zudem hatte jede Gruppe das Angebot erhalten, ein Online-Coaching bei Gregor Dehmel vom Verein „Politik zum Anfassen“ aus Hannover in Anspruch zu nehmen. Herr Dehmel ist ein erfahrender Projektmanager in partizipativen jugendpolitischen Projekten und er ist sehr interessiert an der Arbeit und den Ergebnissen der Jungen Akademie. Für 2023 werden wir ihn ggf. weiter zur Unterstützung der Projektgruppen in die JA einbinden. Das Team „Demokratiedeckel“ hatte dieses Angebot angenommen und steht auch nach wie vor in Austausch mit Herrn Dehmel.

Vor dem Mittagessen am Samstag durften alle Projekte den Stand ihrer Arbeit und Überlegungen den anderen Teams präsentieren. Die Zeit für konstruktives und kollegiales Feedback wurde intensiv genutzt und als sehr hilfreich für alle Seiten erlebt.

Der Nachmittag startete dann mit einem kleinen Wettkampf-Wissens-Spiel. In zwei Teams aufgeteilt sollten die Teilnehmenden im MNH Karten mit allgemeinbildenden Fragen zu wesentlichen „hard facts“ zur Demokratiegeschichte suchen und beantworten und natürlich schneller und schlauer sein als das jeweils andere Team. Das Spiel war eine willkommene Abwechslung zum intensiven Projektarbeiten.

Die weitere Zeit galt erneut den vier Projektteams. Nun standen die inhaltlichen Vorbereitungen zum Demokratie-Slam im Vordergrund. In der Großgruppe wurde die Verabredung getroffen, dass sich alle Teams von den Präsentationen der anderen überraschen lassen möchten. Hanna-Lena Neuser und ich haben die Teams erneut einzeln begleitet und am Ende des Tages alle geplanten Präsentationen und Vorbereitungen ausführlich besprochen. Die Stimmung in den Gruppen war sehr euphorisch. Die Vorfreude und Neugierde auf den Slam war spürbar. Für das kommende Jahr wäre es sicherlich hilfreich, wenn wir bei so intensiver und guter Vorbereitung der Projektpräsentationen mehr Publikum finden würden, das bereit ist, die Projekte zu sehen und zu unterstützen.

Die Teams hatten intern aber auch in der großen Gruppe noch am Sonntagvormittag Zeit, um letzte Absprachen zu treffen und offene Fragen zu klären. Bis zum Mittagessen haben wir uns schließlich Zeit genommen, die gemeinsamen Tage im Martin-Niemöller-Haus zu reflektieren und uns gegenseitig Feedback zu geben.

Insgesamt lässt sich zusammenfassen, dass der Jahrgang JA 2022 ein sehr engagierter, ehrgeiziger und herzlicher Jahrgang ist. Die Gruppe ist sichtbar zusammengewachsen. Alle Andachten an den drei Morgenden wurden von den Stipendiat/innen vorbereitet und angeboten. In den Pausen und den Abenden wurde oft lange zusammengesessen und miteinander diskutiert und zugehört. Die jungen Erwachsenen sind reflektiert, bringen viele unterschiedliche Perspektiven mit und sind aneinander interessiert und aufeinander bezogen. Sie machen in der Jungen Akademie sicherlich alle hilfreiche Erfahrungen für den weiteren Lebensweg und knüpfen dazu hilfreiche Netzwerke. Das ist nicht zuletzt möglich durch diese intensiven und abgeschiedenen Tage im Martin-Niemöller-Haus, die uns auch durch die Unterstützung des Fördervereins möglich sind.

Die vier Projekte des diesjährigen Jahrgangs sind in Kürze auf der neuen Seite der Jungen Akademie Frankfurt zu finden unter:

www.junge-akademie-frankfurt.de

Türen auf, Musik an, Tanzen!

Impulse junger Menschen aus der Kirche in die Kirche

Eigentlich sollte die Veranstaltung „Aufbau im Abbau“ am 2. und 3.9.2022 eine größere Konferenz von jungen Menschen aus der Kirche werden. Eigentlich. Denn es zeigt sich, dass der EKHN2030-Prozess bislang wenig Räume für kreatives und vor allem innovatives Nachdenken lässt. Vor allem junge Menschen in Kirche brauchen aber diese Räume, um die Zukunft gestalten zu können.

Auf Initiative junger Pfarrpersonen entstand also der Plan, diese Zukunftswerkstatt für alle Menschen aus der Kirche zwischen 20 und 39 durchzuführen. Ziel sollte sein, ihre Ideen zu hören, sie zu diskutieren, sich gegenseitig zu inspirieren und sich gemeinsam mit der Frage zu befassen, wie Transformation in der Kirche unter dem Gesichtspunkt „Sparen“ konkret aussehen kann und Räume für Innovation entstehen können.

Leider kam nach der Ausschreibung dieses Projekts die ernüchternde Rückmeldung möglicher Teilnehmender. Manche fragten, wann sie denn das auch noch machen sollten? Sie seien mit ihren Aufgaben in der Gemeinde schon mehr als ausgelastet. Andere sagten, dass es die Kirche doch ohnehin nicht interessiere, was sie als junge Menschen zu sagen hätten. Die Anmeldezahlen blieben folglich erschreckend gering.

Beide Rückmeldungen sorgten aber dafür, dass wir nun „erst recht“ einen Raum entwickeln wollten, in dem Zukunft von Kirche gestaltet werden kann. So gestalteten wir das Programm um und machten eine kleine, aber sehr feine Open End-Abendveranstaltung im kleinen Kreis daraus. Zehn junge, engagierte, inspirierte Menschen aus Kirche kamen zusammen, trugen sich ihre Fragen und Ideen vor und überlegten, was es braucht, um neue Ideen, Formate und Arbeitsformen in Kirche zu etablieren. Dr. Sandra Bils (CVJM-Hochschule Hannover) war digital zugeschaltet und untermauerte die Ideen mit ihrem Blick auf Innovationskraft von Kirche. Ihre Idee einer „Pionier-Strategie“ stieß auf offene Ohren. Bis nachts um 23 Uhr wurde sehr lebendig weiterdiskutiert und überlegt, wie die gesammelten Impulse einen Platz im EKHN2030-Prozess bekommen könnten.

Am nächsten Morgen gab es dann ein gemeinsames Frühstück mit Personen aus der Kirchenleitung und dem Bereich Öffentlichkeitsarbeit und Ehrenamtsarbeit, bei dem die Ideen vorgestellt und diskutiert wurden. Auch hier wurde sehr eindrücklich, wo kreative Ideen sprudeln, wo aber auch eine Menge Frust und Ärger über Kirchenentwicklung zu finden ist.

Für die Funktionsträger aus der Kirche war dieses Frühstück sicher ein Hoffnungsschimmer einerseits, dass es junge Menschen gibt, die noch etwas wollen von ihrer Kirche – aber gleichzeitig auch ein Signal, dass Handlungs- und Entscheidungsbedarf besteht. Für die Teilnehmenden war es ein Auftakt, ein Aufbruch. Mit dem (Arbeits-)Titel die EKHN-Gestalter*innen wollen sie sich im März 2023 erneut treffen, den Kreis erweitern und dran bleiben an dem Thema, wie der Aufbau im Abbau gelingen kann.

Hiphop United

Einen Schultag lang tanzen gegen Rassismus

Evangelische Akademie Frankfurt

Laute Bässe dröhnen durch die Aula, Hiphop Musik tönt laut bis draußen auf den Schulhof. Circa 80 Sechstklässler/innen betreten nach und nach die Aula und schauen sich fasziniert um. Es ist Montagmorgen, der 18.Juli 2022 und wir eröffnen für die Schüler/innen der 6. Klassen der IGS West in Frankfurt-Höchst die Projektwoche „Black History“, ein Thema, dass sich die gesamte Schülerschaft der Schule für die Woche vor den Sommerferien als Projektthema gewählt hat. Sieben Tanztrainer/innen der Tanzcrew 1st Cut sind bereits da und starten mit einer improvisierten Tanzeinlage. Die gute Stimmung springt sofort über und die 11-12-Jährigen jubeln laut mit. In den nächsten Stunden durchlaufen die Klassen vier Workshopstationen an unterschiedlichen Orten. Sie erstellen ein Mindmap darüber, was wir für gutes Zusammenleben in unserer Gesellschaft brauchen und tun können. Sie kommen ins Gespräch darüber, was Rassismus ist und wie es unser Zusammenleben stört. Viele von ihnen erzählen von persönlichen alltagsrassistischen Erlebnissen und gemeinsam suchen sie nach Möglichkeiten sich gegenseitig zu unterstützen und zu stärken. In tänzerischen Partnerübungen erleben sie, wie Teamarbeit und zwischenmenschliche Kommunikation auch ohne Worte gelingt. Sie erleben, wie bereichernd es ist, wenn in einer Gruppe alle ihre unterschiedlichen Stärken und Fähigkeiten einbringen und kommen in der Reflexionsrunde selber darauf, dass Ausgrenzung und Rassismus eine Gruppe respektive Gesellschaft um diese Vielfalt bringt. Alle Gruppen üben nacheinander außerdem eine Choreographie ein, die dann im finalen Abschluss von allen gemeinsam in der großen Aula getanzt wird. Wenn die Stimmung am Morgen schon gut war, dann wird sie nun noch ausgelassener. Im sog. Cypher, ein großer Kreis den alle gemeinsam nach der gemeinsam getanzten Choreographie bilden, dürfen nun alle ihre großen und kleinen Kunststücke zeigen. Bei über 35 Grad in der Aula verlangen die Schüler/innen einen Song nach dem anderen, um weiter tanzen zu können und wünschen, dass der Projekttag noch Stunden länger andauert.

Friedensfähig in Kriegszeiten

Friedensgutachtens 2022

Das Friedensgutachten 2022 der vier führenden Institute für Friedens- und Konfliktforschung in der Bundesrepublik analysiert die Konflikte und Kriege der Gegenwart, stellt auch in diesem Jahr wieder die Friedens- und Sicherheitspolitik Deutschlands und Europas auf den Prüfstand und gibt Empfehlungen für eine friedensorientierte Politik. Nach einer allgemeinen Einführung in den Inhalt des Gutachtens durch Claudia Baumgart-Ochse stellte Prof. Dr. Nicole Deitelhoff, die Leiterin des Leibniz-Instituts Hessische Friedens- und Konfliktforschung (HSFK), das diesjährige Fokus-Kapitel vor.

Dieses Kapitel widmet sich in 2022 verständlicherweise dem völkerrechtswidrigen Krieg, den Russland im Februar dieses Jahres gegen die Ukraine eröffnet hatte. Die Referentin stellte dabei auch konkrete politische Handlungsempfehlungen zur Diskussion. Ihre Diskussionspartner waren Lorenz Hemicker, Journalist in der politischen Redaktion der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ), sowie Jan Gildemeister, seit 2000 Geschäftsführer der Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden (AGDF). Das Gespräch verlief trotz sachlicher Differenzen in sehr fairer und freundlicher Form

Das Friedensgutachten 2022 enthält folgende acht zentrale Botschaften:

  1. Bereits jetzt muss für die Zeit nach dem Krieg geplant werden. Es braucht Strategien, wie Europa aus dem Krieg zurück in eine Friedensordnung findet.
  2. Das Risiko nuklearer Eskalation muss durch Verzicht auf einen nuklearen Ersteinsatz der Nato verringert werden.
  3. Auf Russland muss internationaler Druck ausgeübt werden, damit es zu ernsthafter Verhandlungen kommt.
  4. Sanktionen müssen klar kommuniziert und ihr (Miss-) Erfolg überwacht werden.
  5. Sowohl die Diplomatie als auch regionale Organisationen für Konfliktbearbeitung müssen gestärkt werden.
  6. Eine „feministische Außenpolitik“ erweist sich als notwendiger denn je.
  7. Unsere neu zu entwerfende nationale Sicherheitsstrategie muss über das Ziel einer bloßen Wehrhaftigkeit hinausgehen Eine vorausschauende Sicherheitspolitik ist global auszurichten. Sie muss insbesondere den Folgen des Klimawandels entgegenwirken und dem Globalen Süden faire Entwicklungschancen ermöglichen.
  8. Eine grundrechtsorientierte Kontrolle unserer Sicherheitsinstitutionen ist unbedingt notwendig

Das Video von der Veranstaltung findet sich auf dem YouTube-Kanal der Akademie (https://www.youtube.com/watch?v=WNKWrlfz1m0) und seit dem 8.7.2022 auch im „Offenen Kanal“.

 

Johannisnacht

Sommerempfang trifft junge Wissenschaft

Evangelische Akademie Frankfurt
Evangelische Akademie Frankfurt
Evangelische Akademie Frankfurt
Evangelische Akademie Frankfurt
Evangelische Akademie Frankfurt
Evangelische Akademie Frankfurt
Evangelische Akademie Frankfurt
Evangelische Akademie Frankfurt

Traditionell lädt die Evangelische Akademie Frankfurt gemeinsam mit ihrem Förderverein Ende Juni zur Johannisnacht ein. Der Abend soll allen Menschen aus der Akademie-Community die Möglichkeit geben, die wunderschönen Räume in einem festlichen Rahmen zu erleben, mit spannenden Begegnungen und Gesprächen und natürlich mit inhaltlichen Impulsen, die zum Nachdenken und Diskutieren einladen.

2022 wurde der Abend inhaltlich gestaltet unter Mitwirkung vier junger Menschen, die aus ganz unterschiedlichen wissenschaftlichen Kontexten überraschende Formen fanden, ihre Themen zu Gesprächsthemen zu machen. Luca Neuperti, der auf sehr humorvolle und gleichzeitig intelligente Weise über das Thema NFTs und ihre Wirkung auf die Gesellschaft sprach. Antonia Klumbies, junge Theologin mit poetischer Ader, die das Publikum mit hinein nahm in den Streit zwischen Erasmus und Luther und den Bogen spann, was dieser Streit mit Europa zu tun hat. Sanna Hübsch, eine junge Expertin in Sachen Extremismusprävention, die in Form zweier Poetry-Slams Gedanken über Vielfalt in der Gesellschaft einbrachte und schließlich Jan Hegenberg, der aus einer gelungene Mischung von Zahlen, Daten und Fakten, gemischt mit feinem Humor aufzeigte, dass die Energiewende vielleicht gar nicht so kompliziert ist.

Mit all diesen ganz unterschiedlichen Eindrücken und Erlebnissen wurde dann der Abend von den über 150 Gästen genutzt, um das zu tun, was so lange nicht ging: Begegnung und Präsenz genießen. Zahlreiche Gespräche, vertiefende Einblicke in die Themen des Abends, guter Wein, leckeres Essen – ein schöner Rahmen für einen Sommerempfang. Flankiert wurde das Programm nicht nur von der sensationellen Jazzband „Jazz Sisters Quartet“, sondern auch von der Möglichkeit, mit dem mobilen Akademiemuseum in die Akademiegeschichte einzutauchen oder sich von den Projekten der Jungen Akademie 2017-2021 inspirieren und begeistern zu lassen.

Die Johannisnacht war ein bunter, vielfältiger und stimmungsvoller Abend, den die Gäste, die Mitwirkenden und das Akademieteam sehr genossen haben und schon jetzt die Vorfreude auf das nächste Jahr wachsen lässt.

Religion, Gewalt und Opfer – ein gordischer Knoten?“

Tillich-Lecture 2022

Die Tillich-Lecture 2022 fand auf ausdrücklichen Wunsch der Referent/innen „nur“ als Analogveranstaltung statt. (Die Studienleitung hätte eine Hybridveranstaltung begrüßt, um mehr Personen erreichen zu können. Die Tillich-Lecture des Jahres 2021, die via Youtube gestreamt wurde, konnte immerhin 372 Aufrufe verzeichnen.) Zu Beginn der sog. „Sommerwelle“ der Covid-19-Pandemie fanden sich ca. 25 Teilnehmende in der Akademie ein. Nach einer Begrüßung und inhaltlichen Einleitung durch den Studienleiter moderierte Professor Dr. Heiko Schulz, Systematischer Theologe an der Goethe-Universität Frankfurt, die Veranstaltung in bewährter Weise. Die beiden Referent/innen des Abends waren Prof. Dr. Thomas Schmidt, Philosoph an der Goethe-Universität (ein Schüler von Jürgen Habermas) und Frau Prof. Dr. Gesche Linde, Systematische Theologin aus Tübingen (Nachfolgerin am Lehrstuhl des 2021 unerwartet und viel zu früh verstorbenen Prof. Dr. Christoph Schwöbel).

 

Die Themenexposition rankte sich um folgende Überlegungen: Naturkatastrophen und Autounfälle, Pandemien und Terroranschläge fordern Opfer. Und Kriege fordern Opfer – in der Gegenwart auf erschreckende Weise der Krieg in der Ukraine. Auch haben zu allen Zeiten Menschen aus religiösen Gründen Opfer gebracht: Zeit und Mühe, die Früchte des Feldes, geweihte Tiere und sogar Menschenopfer. Religion, Opfer und Gewalt sind in der Geschichte so eng miteinander verbunden, dass sie fast untrennbar scheinen: ein gordischer Knoten. Müssen Götter, musste auch der Gott, an den Christenmenschen glauben, Blut vergießen lassen, um besänftigt und versöhnt zu werden? Welche Rolle spielt hierbei der Kreuzestod Jesu?

 

Eine elementare philosophische Reflexion des Themas setzt ein bei der Unterscheidung von „victim“ und „sacrifice“. Es ist ethisch gesehen sicherlich richtig, in allem menschlichen Handeln einen „tutioristischen“ Grundzug durchzuhalten, der die Anzahl der „victims“ (also unschuldigen Opfern, etwa von Pandemien oder Kriegen) so gering wie möglich halten möchte. Wo ein Opfer im Sinne eines „sacrifice“ gebracht wird, ist es sehr wohl möglich, dies ethisch zu reflektieren und zu bewerten. Mit einer einfachen Kosten-Nutzen-Rechnung wird dies aber kaum gelingen. Insgesamt spricht aus philosophischer Perspektive viel dafür, den Opferbegriff als solchen differenziert zu betrachten und sich seiner Problematik im Zusammenhang mit dem Phänomen der Gewalt zu stellen, aber einen ethisch sinnvollen und verantwortbaren Gebrauch des Begriffs für möglich zu halten.

 

Die theologische Behandlung des Themas geht vom Befremdungspotenzial des – wie gezeigt – mehrdeutigen Opferbegriffes aus und sucht über den biblischen Befund nach Spuren eines sinnvollen Begriffsgebrauchs. Die Frage, wie sich der „gordische Knoten“ von Religion, Gewalt und Opfer auflösen lässt, erhält eine besondere Zuspitzung durch die Vorstellung vom Sühnopfer Jesu am Kreuz. Das einmalige und unüberbietbare Opfer Jesu macht immerhin – das lässt sich als religionsgeschichtlicher Fortschritt deuten – das Darbringen weiterer Opfergaben in der Zukunft überflüssig. (An diesem Punkt stellt die protestantische Theologie an die römisch-katholische Vorstellung vom „Messopfer“ in der Eucharistie die Frage, ob hier nicht die Einmaligkeit des Opfers Jesu negiert wird. Es öffnet sich somit ggf. ein kontrovers-theologisches Feld.) Von Paul Tillichs Theologie her ist der Gedanke eines Selbstopfers aus Liebe durchaus plausibel zu machen, auch wenn Tillich sich an diesem Punkt einer dialektischen Denkfigur bedient.

 

Man wird – so das Fazit am Ende des Abends – den Opferbegriff nicht vorschnell verabschieden dürfen, aber man wird ihn in differenzierter und sensibler Weise betrachten müssen. Ein großer Dank für die Unterstützung der Tillich-Lecture 2022 gebührt wie in den Vorjahren jedenfalls dem Förderverein der Evangelischen Akademie Frankfurt

#Change

Werkstatt für Veränderung

Evangelische Akademie Frankfurt
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Wie entsteht Veränderung – persönlich und gesellschaftlich? Eigentlich wissen wir seit Jahren, dass wir etwas gegen die Klimakrise tun müssen und doch passiert zu wenig. Drei Erdkugeln bräuchte es, wenn alle Menschen wie wir in Deutschland lebten. Obwohl fast alle Länder sich dem 1,5-Grad-Ziel des Pariser Abkommens verpflichtet haben, ist die Welt derzeit auf dem Weg zu einer Erwärmung von 3,2 Grad bis 2100. Dabei sind die Folgen der Erderwärmung schon jetzt dramatisch. Warum führt Wissen nicht automatisch zum Handeln? Was können wir mit Blick auf große Veränderungsprozesse der Vergangenheit lernen und was soll man sich eigentlich unter dem Begriff „sozialökologische Transformation“ vorstellen?

Wir haben uns ganz schön viel vorgenommen an diesem ersten Wochenende im Hildegardishof, Westerwald. Aber sonst hätten wir ja auch nicht so viel gelernt! 15 Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 14 und 25 Jahren und vier Trainer- und Teamer*innen in einem Tagungshaus auf blühender Streuobstwiese. Drei Tage Sonnenschein, Austausch, Impulse und Zusammensein. Besser kann man sich den „Neuanfang“ nach zwei Jahren Coronaeinschränkungen kaum vorstellen. Ziel des kommenden Treffens im Mai ist die künstlerische Umsetzung der gesammelten Ideen, Botschaften und Anliegen der Gruppe zum Thema Klimakrise und Transformation. Diese Werke bilden ab Oktober 2022 das Vorwort zu der Ausstellung Klima_X, die fast ein Jahr lang im Museum für Kommunikation in Frankfurt zu sehen sein wird.

Das Projekt bietet den Teilnehmenden mehr als theoretische Erkenntnisse. Sie haben einen reellen Kommunikationsraum zu gestalten, können ihre Meinung ausdrücken und selbst Einfluss nehmen. Doch wie spricht man über Klimakrise und Veränderungsnotwendigkeit, ohne Widerstände, Überforderung oder Resignation auszulösen? Was für „Veränderung“ braucht es eigentlich und wie kommen wir dahin? Hier boten zwei digital zugeschalteten Expert/innen praktische Einsichten.

Dr. Hartmut Rosa, Professor für allgemeine und theoretische Soziologie an der Friedrich-Schiller Universität Jena, definierte „sozialökologische Transformation“ als eine Systemänderung, durch welche sich alles nicht mehr steigern muss, um das Bestehende zu erhalten. Alle politischen Parteien wollen Wachstum, merkte er an, sagen aber nie was genau wohin wachsen soll. Bei den meisten Sektoren gibt es planetare Grenzen zu beachten. Eine andere Logik muss her, meinte er, und zwar nicht nur beim Wirtschaftssystem, sondern auch bei der Haltung der Bevölkerung. Was gibt uns eigentlich Sinn im Leben? Ist es wirklich alles zugänglich zu haben und konsumieren zu können? Oder ist es vielmehr die Resonanz? Also die Erfahrung, in Kontakt zu sein und die Fähigkeit, von etwas berührt zu werden. Möglicherweise wäre es mit ganz viel Kreativität, Gemeinschaft und Sinngefühl verbunden, wenn wir – als Stadt, Viertel oder Haushalt – mit einer Deckelung unserer Emissionen umgehen müssten, statt immer nur nach mehr zu streben. Aktuell ist gesellschaftliche Zugehörigkeit meist über Erwerbsarbeit definiert, fügte er hinzu. Doch wenn die Angst, nicht dazuzugehören, eine der stärksten Antriebsfaktoren für das ständige Wachsen ist, kann nicht Erwerbsarbeit auch anders organisiert werden? Wie wäre es mit einem bedingungslosen Grundeinkommen, um uns erstmal die Angst zu nehmen, ohne Lohnarbeit nicht dazuzugehören? Das Gespräch mit Dr. Hartmut Rosa lässt sich hier ansehen.

Impulse aus der Umweltpsychologie bekamen wir von Dr. Laura Loy, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Umweltpsychologie an der Universität Koblenz-Landau. Das Problembewusstsein der deutschen Bevölkerung ist hoch, meinte sie, aber unser Handeln ist durch viele Einflussfaktoren bestimmt. Nicht nur Wissen um ein Problem spielt eine Rolle, sondern auch unsere Werte und Moralvorstellungen, unser Identität und Gewohnheiten, persönliche Einschränkungen, wen wir als Verantwortlich sehen und nicht zuletzt, was wir fühlen. So geht beispielsweise „globale Identität“ (also, dass man sich als Teil der Menschheit sieht) oft mit mehr umweltschützenden Verhaltensweisen einher. Sowohl positive Gefühle, wie Hoffnung oder Bewegt-sein, als auch negative, wie Wut oder Scham, können aktivierend wirken. Ohne Gelegenheit und Fähigkeit wird sich aber keine Veränderung einstellen, sondern eher Frustration. So lauten Frau Loys konkrete Tipps: findet eine Gruppe, deren Werte ihr teilt, ladet andere ein, schließt euch zusammen, tut Gutes und redet drüber. Und vergesst nicht, die Belohnungen und positiven Gefühle zu betonen, die mit nachhaltigem Verhalten einhergehen!

Das Programm bot eine Waldwanderung, die direkt als Chance genutzt wurde, mit der Natur in Resonanz zu treten. Die Gelingensgeschichten der Menschheit wurden aufgearbeitet und ein Spiel zum Thema Weltverteilung gehörte auch dazu. Ein Kletterseil half uns, darüber nachzudenken, wer den Wandel macht, und in der kreativen Ideenwerkstatt entstanden Plakate, die jetzt schon am Museumsufer in Frankfurt zu sehen sind. Schließlich ging es mit Christina Schnepel von unserer hessischen Schwesterakademie in Hofgeismar auch um „#Hope“ als Bestandteil einer „#Change“. Das war ein richtig tolles Auftaktwochenende. Und wie schön, wenn man ein schweres Thema angeht – bei dem es um die Zukunftsperspektive der Teilnehmenden geht und man Angst hat, Resignation auszulösen – und die Teilnehmenden danach sagen, dass sie „begeistert“, „inspiriert“ und „hoffnungsvoll“ sind. Da geht das Herz auf und der Himmel hängt voller Geigen. Wir freuen uns schon auf das Wiedersehen im Mai!

Brand new? Demokratie

Autakt der Jungen Akademie 2022

Am 21.04.2022 pünktlich um 19:00 Uhr starteten wir mit 16 von 19 Stipendiat/innen in das neue „Junge Akademie-Jahr“. Wir verbrachten dreieinhalb intensive Tage im Martin-Niemöller-Haus, das wir für die Hälfte unserer Zeit ganz alleine bewohnen durften. So konnten wir Ruhe und Raum nutzen für das Jahresthema der JA, für die Entwicklung von Gruppendynamik und auch das Wohlergehen jedes Einzelnen.

Der erste Abend stand ganz im Zeichen des Kennenlernens: Wer ist im neuen Jahrgang mit welcher Motivation und welchen Erfahrungen dabei? Anhand eines mitgebrachten symbolischen Gegenstandes demonstrierten die jungen Menschen ihre persönliche Beziehung zum Jahresthema. Schnell entstand eine Atmosphäre des neugierigen und wertschätzenden Miteinanders. Gemeinsam wurde das Programm der kommenden Tage besprochen, bevor der Abend einen gemütlichen Ausklang fand.

Der kommende Tag startete mit einem spannenden Impuls von Prof. Dr. Regina Kreide, Lehrstuhlinhaberin für Politische Theorie und Ideengeschichte an der Universität Gießen und in unterschiedlichen Beiräten und Arbeitskreisen zum Thema Demokratie engagiert. In Anlehnung an ihren Beitrag „Und links keine Leerstelle“ aus dem aktuellen Sammelband: Denkfabrik (Hs.) 2021, Verbündet Euch! skizzierte sie ihre Argumente und Überlegungen bezogen auf „Brand New? Demokratie“. So beobachtet sie den „Verlust eines Sinns im Zukünftigen“. Während rechtsorientierte Strömungen über ihre radikale, nationalorientiere und diskriminierende Propaganda ein „griffiges Identitätsangebot mit Kollektivperspektive“ entwickeln, fehle es dem linken Spektrum an einem Narrativ, wie ein emanzipatives, solidarisches und demokratisches Miteinander in der Zukunft aussehen und gestaltet werden könne. Besonders betonte Frau Kreide dabei die Notwendigkeit des Einbezugs der „ökologischen Katastrophe“. In einer Demokratie der Zukunft müsse die Frage erlaubt sein, wie mit den Ressourcen der Erde und den menschgeschaffenen Gütern fair und gerecht umgegangen wird.

Im darauffolgenden fishbowl diskutierten die Stipendiat/innen lebhaft und kontrovers mit Frau Kreide. Der Vormittag war für die Teilnehmer/innen inhaltlich und methodisch gehaltvoll. Frau Kreide schrieb im Anschluss ein wertschätzendes Feedback an die Gruppe und bot sich darüber hinaus an, einen weiteren Beitrag zum Symposium im Herbst zu leisten.

Am Nachmittag versammelten wir uns bei sonnigem Wetter auf der Wiese vor dem Martin-Niemöller Haus. Gegen zugegebenermaßen einigen Widerstand konnte sich die Gruppe auf gruppendynamische Übungen einlassen. Der Spaß am Spiel ließ gefühlt ein paar Knoten lösen und Berührungsängste schmelzen. Die Teilnehmer/innen skizzierten anschließend Bilder von der Gruppe. Die Auseinandersetzung mit Fragen wie: „Welchen Blick haben wir auf uns als Gruppe?“ und „Wie wünschen wir uns das Miteinander in den kommenden Monaten?“ brachte die Menschen auf emotionaler Ebene zusammen und stärkte das „Wir-Gefühl“.

Den späten Nachmittag und Abend nutzten die Teilnehmer/innen um die diversen inhaltlichen Ideen und Impulse an der bis dahin entstandenen großen Metaplanwand zu sortieren und zu clustern. Erste Projektskizzen und Projektgruppen entstanden.

Bei Stockbrot und Musik am Lagerfeuer fand der Abend einen gemütlichen und persönlichen Ausklang. Es war schön zu beobachten, wie aus einer Gruppe Fremder allmähliche ein Team entstand.

Die Andacht des zweiten Tages war erneut gut besucht. Stipendiat und Vikar Raphael Zager hatte am Morgen eingeladen und die Teilnehmer/innen erschienen vollständig.

Das Ziel des zweiten Tages: Wir möchten die Themen und Gruppen für die kommende Projektphase finden. Als Impuls diente der TED-Talk „Golden Circle“ von Simon Sinek. Anhand der Frage: „Wofür brenne ich?“ befassten sich die Teilnehmer/innen mit den eigenen Motiven und Herzensthemen. Durch diesen individuellen und stillen Rekurs wurde die Arbeit des Vortages noch mal kritisch reflektiert.

Das „Why?“ stand im Fokus: Wofür machen wir welche Projekte? Die Teilnehmer/innen arbeiteten abwechselnd für sich, in Kleingruppen und in der Großgruppe. Nachmittags stieß Hanna-Lena Neuser zur Gruppe dazu. Sie offerierte hilfreiche Innenansichten aus den letzten Junge Akademie-Jahrgängen und ermutigte die Gruppe, sich auch in Phasen des „motivationalen Tiefgangs“ nicht entmutigen zu lassen, sondern an die eigenen Ideen zu glauben.

Projekte und Gruppen wurden im Laufe des Tages noch mal „anders & neu“ zusammengedacht. Schließlich einigten wir uns auf vier Projektgruppen, die den Nachmittag und frühen Abend dazu nutzten, ihr Thema zu verfeinern und eine Projekt-Präsentation für den Abend vorzubereiten.

Jedes Team durfte 5 Minuten darstellen, wozu es einen Beitrag leisten und in welchem Projektformat es Ideen umsetzen möchte. Die Gruppe wiederum gab unterstützendes, kritisches und realistisches Feedback in Form der sog. Walt-Disney-Methode. Die Präsentationen wurden aufgezeichnet und den abwesenden Teilnehmer/innen zur Verfügung gestellt, um eine persönliche Zuordnung treffen zu können.

Nach einem intensiven Arbeitstag wurde der Abend erneut genutzt, um persönlichen Austausch zu vertiefen und auch mal über Themen zu sprechen, die nichts mit Akademie oder Projekten zu schaffen haben.

Auch zur Andacht des dritten Tages von Hanna-Lena Neuser kamen nahezu alle Teilnehmer/innen in der Kapelle zusammen.

Am Vormittag wurden die vier Projekte noch mal „angesehen“ und um weitere Ideen oder Impulse aus der Großgruppe ergänzt. Danach gab es ausreichend Zeit für wertschätzendes Feedback. Dazu hingen im Raum verteilt namentlich beschriftete Flipchartpapiere an den Wänden und mit viel Ruhe und begleitet durch stimmungsvolle Musik nahmen sich die Stipendiat/innen Zeit, jeder Person eine persönliche Rückmeldung zu schreiben oder zu malen. Die individuellen „Geschenkpapiere“ konnten die Stipendiat/innen mitnehmen.

Eine ausführliche Feedbackrunde zum Verlauf des Wochenendes und mit Wünschen für die kommende Zeit fand anschließend in Gesprächsform statt.

Nach dem Mittagessen wurde in aller Ruhe abgereist.

Die Gruppe fand an dem Wochenende erstaunlich schnell zusammen. Die entschuldigten Teilnehmer/innen wurden von der Gruppe stets mitgedacht und berücksichtigt. Die vier vorläufigen Projektteams sind motiviert und werden ihre Ideen im anstehenden Projektmanagement-Workshop Mitte Mai weiter ausarbeiten. Danach kann über die konkreten Projektskizzen berichtet werden.

Die Gruppe zeigte viel Verantwortung für den weiteren Prozessverlauf. Für die Moderation aller drei Denkräume fanden sich bereits Teams. Ebenso für das „Takeover“ des Instagram Kanals der Akademie und die Weiterentwicklung des Mentoring-Programms.

So darf es gerne weitergehen.

 

 



3. Fachtagung zur außerklinischen Ethikberatung

Derzeitiger Stand und aktuelle Herausforderungen

 

Ethik-Komitees und ethische Fallbesprechungen haben sich in den letzten Jahrzehnten in vielen Krankenhäusern etabliert. Im Jahr 2008 wurde auf dem Deutschen Ärztetag beschlossen, die vielerorts als hilfreiche erfahrene Struktur der ethischen Fallbesprechung auch im ambulanten Bereich zu etablieren. Hausärztinnen und Hausärzte sollten diese Art der Unterstützung ebenso nutzen können, wie Patientinnen und Patienten, deren Angehörige und die Mitarbeitenden in den ambulanten Pflegediensten. Inzwischen haben sich deutschlandweit 44 Projekte etabliert, deren Kontaktadressen auf der Webseite der Akademie für Ethik in der Medizin e.V. zu finden sind: https://www.aem-online.de/index.php?id=157

Der Aufbau und die Entwicklung der Ambulanten Ethikberatung wurde von der Evangelischen Akademie Frankfurt seit Beginn mit der nunmehr dritten Tagung begleitet. Coronabedingt fand diese in diesem Jahr rein online mit 110 angemeldeten Teilnehmer:innen statt. Eine vorab durchgeführte Online-Befragung ergab, dass für die Hälfte der ambulanten Ethikberater:innen, die sich an Befragung beteiligt hatten, die Corona-Pandemie eine Erschwernis ihrer bisherigen Beratungsarbeit dargestellt hat.

Inhaltlich wurde bei der Tagung ein besonderer Schwerpunkt durch die Herausforderung gebildet, vor der sich die ambulante Ethikberatung durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 26.02.2020 gestellt sieht: Nachdem das Bundesverfassungsgericht den § 217 StGB zur Suizidhilfe für nichtig erklärt hatte, wird erwartet, dass der Gesetzgeber eine gesetzliche Neuregelung verabschieden wird. Hausärzt:innen, Pflegeeinrichtungen, Hospize und ambulante Palliativteam könnten sich dann verstärkt mit der Anfrage konfrontiert sehen, eine ethische Fallbesprechung dann durchzuführen, wenn bspw. vom Hausarzt eine Suizidhilfe eingefordert wird und Unsicherheiten sowie ethische und rechtliche Vorbehalte bei den Beteiligten über das weitere Vorgehen bestehen. Sollte die ambulante Ethikberatung hier als Beratungsinstanz herangezogen werden können, dann erscheint es wichtig im Vorfeld zu klären, wie weit die Ethikberatung in ihrer Funktion und Begleitung gehen will, kann soll und darf. Sollte es „nur“ um die Information des rechtlichen status quo gehen oder würde z.B. auch die Weitergabe von Kontaktadressen (etwa eines Sterbehilfevereins) zur Beratungsarbeit gehören? Durch Fallgeschichten, rechtliche Kommentare, Erfahrungen aus dem Ausland und Diskussionen in Breakout-Gruppen wurde ein intensiver Austauschs über ein komplexes und kontroverses Thema geschaffen, das grundsätzliche Fragen der Haltung und (beruflichen) Werte aufwirft.

Die Tagung fand in Zusammenarbeit mit der Akademie für Ethik in der Medizin e.V. und dem Zentrum für Ethik in der Medizin am Agaplesion Markus Krankenhaus, Frankfurt/M. statt.

I Never Told You

 Lichtinstallation

Evangelische Akademie Frankfurt
Evangelische Akademie Frankfurt
Evangelische Akademie Frankfurt
Evangelische Akademie Frankfurt
Evangelische Akademie Frankfurt
Evangelische Akademie Frankfurt
Evangelische Akademie Frankfurt
Evangelische Akademie Frankfurt

Die Idee, dass die Akademie sich mit ihrem Haus am zentralen Standort am Römerberg an einer LUMINALE beteiligt, liegt eigentlich auf der Hand. Und dennoch: für die LUMINALE 2022 gab es erstmalig ein konkretes Konzept. Und dann wurde die LUMINALE offiziell abgesagt – pandemiebedingt. Doch zu diesem Zeitpunkt waren schon mehr als zwei Jahre Mühe, Planung und Ideen in das Projekt eingeflossen, so dass sich alle Beteiligten dazu entschieden, die Installation trotzdem wie geplant umzusetzen.

Entwickelt wurden das Konzept im Rahmen eines Seminars der hochschule darmstadt im FB Architektur/Innenarchitektur. Begleitet wurde das Seminar von Hochschulprofessor/innen sowie Lehrbeauftragte einerseits, von Vertreter/innen der beteiligten Institutionen andererseits: Atelier Markgraph, EKHN-Stiftung, Dr. Arthur Pfungst-Stiftung sowie der Evangelischen Akademie. In gemeinsamen Veranstaltungen und Workshops konnten sich die Studierenden aus unterschiedlichen Disziplinen heraus mit dem Begriff der Transparenz befassen und daraus eigene Ideen für eine Installation in der Akademie entwickeln. In einer Jury-Sitzung wurde schlussendlich aus fünf Entwürfen einer ausgewählt und bis zur Umsetzung weiter begleitet und betreut. Eine Gruppe von Studierenden war hierbei maßgeblich beteiligt.

Die Idee der Installation orientierte sich an dem Begriff des Geheimnisses als ein gegenteiliger Begriff zur Transparenz. Das Verhältnis dieser beiden Begriffe zueinander birgt ebenso Ambivalenzen wie der Umgang mit oder der Blick auf Geheimnisse selbst. Diese unterschiedlichen Gefühle und Gedanken griff die Installation auf und machte sie bei einem Gang durch das Haus erlebbar.

Am 11.3.2022 wurde die Lichtinstallation „I NEVER TOLD YOU“ eröffnet. Der Förderverein der Evangelischen Akademie Frankfurt als Förderer des Projekts wurde dazu exklusiv eingeladen.

Ins Mark getroffen

Was meine Krebserkrankung für mich als Intensivmediziner bedeutet

Prof. Dr. Thomas Bein leitet eine Intensivstation am Universitätsklinikum Regensburg, als bei ihm Knochenmarkkrebs diagnostiziert wird. Fortan vertauschen sich die Rollen und der Spitzenmediziner wird selbst Patient im Getriebe der Hightech-Medizin. Er erlebt, wie es sich anfühlt, eine Krebsdiagnose zu bekommen, was es bedeutet, eine Chemotherapie auszuhalten, die Kontrolle über den eigenen Körper zu verlieren und mit der Krankheit leben lernen zu müssen.

In einem eindrücklichen Buch hat Prof. Bein seine Erfahrungen festgehalten und darüber im Rahmen einer Online-Veranstaltung berichtet. Unverkennbar schwingt dabei immer wieder die Erfahrung des langjährigen Intensivmediziners mit, der sich schon vor seiner Erkrankung oft gefragt hat, wie das, was er tut, auf seine Patientinnen und Patienten wirkt. Diese Reflexionen werden dadurch noch verstärkt, dass Prof. Bein berufsbegleitend einen Studiengang Medizinethik absolviert hat.

Aufgrund der eigenen Erfahrungen als Patient, seinem beruflichen Wissen als Arzt und der Reflexion aus Sicht der Medizinethik beschreibt er, was ihm geholfen hat und was sich im Gesundheitswesen dringend ändern muss. In der anschließenden Aussprache werden diese Gedanken fortgeführt mit Frau Prof. Dr. Elke Jäger, Chefärztin der Klinik für Onkologie und Hämatologie am Krankenhaus Nordwest und mit Herrn Oberarzt Dr. Rolf Kleinschmidt von der Medizinischen Klinik I am Agaplesion Markus Krankenhaus in Frankfurt/M.