DAS ANDERE 1848
JENSEITS DER PAULSKIRCHE
Anwesend waren an dem Abend in der Ev. Akademie ca. 30 Personen.
Podiumsgäste waren Janine Wissler (Abgeordnete des Deutschen Bundestages und Vorsitzende der Partei „Die Linke“), Prof. Dr. Gerhard Wegner (ehemaliger Leiter des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Evangelischen Kirche in Deutschland sowie aktuell der Antisemitismusbeauftragte des Bundeslandes Niedersachsen) und Hibba Kauser (Studentin der Soziologie und der Politikwissenschaften, Stadtverordnete der Stadt Offenbach am Main und stellvertretende Vorsitzende der hessischen Jungsozialist*innen).
Die Veranstaltung ist dokumentiert auf dem Youtube-Kanal der Ev. Akademie Frankfurt: https://www.youtube.com/watch?v=w6Q5ONFS1mM. (dort 257 Aufrufe) sowie im Offenen Kanal Rhein-Main – Mediathek: https://www.mediathek-hessen.de/medienview_31134_von-Evangelische-Akademie-Frankfurt-Markus-Schmid-.html (dort 1620 Aufrufe) und ebenfalls in der Mediathek der Akademie: https://www.evangelische-akademie.de/mediathek/medien/?event=2789.
Sinn und Zweck der Veranstaltung war, die soziale Frage als einen wichtigen Aspekt auch der politischen Entwicklung rund um das Jahr 1848 in den Blick zu nehmen. In den meisten Veranstaltungen rund um das Jubiläumsjahr 1848 wurden die Themen „Freiheit(srechte)“, „Nationaltät(sfragen)“ und „Verfassungsrecht(sfragen)“ behandelt. Zweifellos sind das wichtige Themen. Ebenso zweifellos aber klammert man mit dieser Fokussierung – die auch der Fokussierung des seinerzeitigen Nationalparlaments entspricht – die ebenfalls relevanten Gerechtigkeitsaspekte aus, die von Karl Marx und Friedrich Engels im selben Jahr im „Kommunistischen Manifest“ thematisiert wurden. Das Elend der schlesischen Weber, die bittere Armut von Industriearbeitern, der Skandal der Kinderarbeit, auch die Rechte der Frauen spielten in den damaligen Parlamentsdebatten nahezu keine Rolle und wurden auch in vielen Rückschauen auf das Jahr 1848 nicht in den Blick genommen. Die soziale Frage war in der Paulskirche deutlich unterbelichtet, hatte doch die Linke dort keine Chance auf eine Mehrheit und blieb die „äußerste Linke“ rund um Marx und Engels ohnehin ganz „außen vor“.
Die Diskussionen des Abends zeigten auf, dass es bereits 1848 und in der Zeit danach für diejenigen, die die soziale Frage wahrnahmen, mindestens drei verschiedene Ansätze gab, wie man diese Frage beantworten und das mit ihr verbundene Problem lösen könne. Holzschnittartig gesagt, gab es den Weg, den Karl Marx und Friedrich Engels bahnen wollten: den Weg der Revolution. Am anderen Ende des politischen Spektrums gab es die Konservativen mit einem sozialen Herzen, zu denen der Theologe Johann Hinrich Wichern gehörte, der ebenfalls 1848 für die „Diakonie“ als Form der „Inneren Mission“ warb – der Ursprung von Diakonie und Caritas. Und dann gab es da noch, sozusagen in der Mitte, aber erst in der Folgezeit sich entwickelnd, die sozialreformerische Lösung, zu der hin sich der einstige Revolutionär Ferdinand Lassalle entwickeln sollte und auf die die Sozialdemokratie setzte. Bei allen Unterschieden im Einzelnen hatten diese drei Wege gemeinsam, dass sie die Menschen „im Dunkeln“ wahrnahmen und sie ins Licht führen wollten – dass sie die am Rande Stehenden sahen und sie in die Mitte der Gesellschaft führen wollten – dass sie diejenigen, die am Boden lagen, aufheben und auf eigene Beine stellen wollten. Alle drei Lösungsansätze haben also mit der Würde von Menschen zu tun – von ganz bestimmten Menschen, von Arbeitern und Arbeitslosen, von armen Menschen, von weiblichen Menschen. Die Frauen und die Armen standen damals im Abseits. Der Abend warf einen Blick in dieses Jenseits oder Abseits und streifte zugleich Fragen der Gegenwart. Denn auch 175 Jahre danach gibt es eine soziale Frage. Und selbst das Kommunistische Manifest ist in mancher Hinsicht, wie die Debatte zeigte, durchaus noch immer aktuell und relevant.
Ein großer Dank für die Unterstützung der Veranstaltung gebührt dem Förderverein der Evangelischen Akademie Frankfurt.