Der Protestantismus und die Paulskirche
Freiheit, Demokratie, Nation
Das Ziel der Veranstaltung bestand darin, vor dem Hintergrund des im Mai 2023 bevorstehenden 175. Jubiläums der ersten deutschen Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche und anhand der evangelischen Paulskirche als dem Versammlungsort der Nationalversammlung herauszuarbeiten, wie sich das Verhältnis von Kirche und Staat, Freiheit, Nation und Demokratie Laufe der Zeit entwickelt hat.
Mitgewirkt haben an der Veranstaltung die Pfarrerin für Stadtkirchenarbeit an der Alten Nikolaikirche (St. Paulsgemeinde), Andrea Braunberger-Myers, der evangelische Kirchenhistoriker an der Goethe Universität, Professor Dr. Stefan Michels, sowie der langjährige Justiziar des Evangelischen Regionalverbandes, Jürgen Telschow, Mitglied des evangelisch-lutherischen Predigerministeriums, Frankfurt am Main. Moderiert wurde die Veranstaltung von Studienleiterin Dr. Margrit Frölich.
Wie ist es zu erklären, dass die lutherische Kirche in Frankfurt sich 1848 schnell „und mit Freude einverstanden“ erklärte, den Abgeordneten der Nationalversammlung die Paulskirche als Versammlungsort zur Verfügung zu stellen? Warum sträubte die Kirchengemeinde sich jedoch in den 1920er Jahren dagegen, dass die Reichsregierung in Berlin jährlich den Tag der Verfassung in der Paulskirche begehen und eine Bronzeskulptur im Gedenken an den 1925 verstorbenen Reichspräsidenten Friedrich Ebert an der Paulskirche aufstellen wollte? Und warum steht in dem Vertrag, den die evangelische Kirche 1953 mit der Stadt Frankfurt schloss, dass das Kreuz auf dem Gebäude erhalten werden soll? Diese und weitere Fragen standen im Mittelpunkt der Veranstaltung.
Folgende Themen wurden auf Podiumsdiskussion adressiert: die Einordung der Nationalversammlung von 1848 in den Kontext der politischen Freiheitsbewegung des Vormärz. Die Rezeption des Luther’schen Freiheitsbegriffs in der Zeit des Vormärz. Inwiefern markiert Luthers Theologie eine der Politisierungsstufen des Protestantismus? Der liberale Protestantismus und seine konservativen Widersacher. Das Verhältnis des Protestantismus zur staatlichen Obrigkeit in der Kaiserzeit - Ernst Troeltsch (Kulturprotestantismus), Adolf Stöcker (Antisemitismus), Rheinische Missionsgesellschaft (Kolonialismus) – und in der Weimarer Republik. Reformorientierte als auch traditionalistische Strömungen in der evangelischen Kirche Frankfurts. Verhältnis des Protestantismus zu dem freiheits- und demokratiegeschichtlichen Erbe der Paulskirche, die einschlägigen Paulskirchenjubiläen 1898 und 1923. Das Verhältnis des evangelischen Paulskirchengemeinde zum Staat in der Weimarer Republik: Streit um die Errichtung einer Skulptur zu Ehren des ersten demokratisch gewählten Reichspräsidenten Friedrich Ebert (1926). Die Paulskirche im Nationalsozialismus (die Gemeindepfarrer Karl Veidt, Georg Struckmeier), Zerstörung und demokratischer Neuanfang 1948 – die Paulskirche wird zur nationalen Gedenkstätte, die Gemeinde verlegt ihre Gottesdienste in die Alte Nikolaikirche, Beibehaltung des Namens Paulsgemeinde; die Rolle des ersten Kirchenpräsidenten der EKHN nach 1945, Martin Niemöller. Dotationsvertrag von 1953: „Dem evangelischen Gemeindeverband wird von der Stadt Frankfurt die Zusicherung gegeben, dass nicht nur die historische, sondern auch die religiöse Tradition dieser Kirche gewahrt wird. Das Kreuz auf der Pauskirche darf nicht entfernt werden.“ Das Anliegen des Protestantismus und der Wunsch der evangelischen Kirche in Frankfurt nach Beteiligung in Bezug auf die künftige Gestaltung der Paulskirche und das geplante Demokratiezentrum.
Die Veranstaltung fand in Präsenz in Großen Saal der Evangelischen Akademie statt. Sie wurde auch per Livestream übertragen und ist über den YouTube-Kanal der Evangelischen Akademie abrufbar. Zusätzlich wurde die Aufzeichnung an drei Terminen im April im Offenen Kanal Hessen gesendet und ist ebenfalls über die Mediathek Hessen abrufbar. Ein Bericht von der Veranstaltung erschien in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.