ÜBER KREBS SPRECHEN
ZWISCHEN HOFFNUNG UND LAST
Die Diagnose „Krebs“ kam im 19. Jahrhundert einem Todesurteil gleich, weil Behandlungsmöglichkeiten fehlten. Heute wecken die neuen Möglichkeiten der personalisierten Diagnostik und Therapie sehr hohe Erwartungen an einen möglichst vollständigen, heilenden Therapieerfolg. Zugleich wird die Frage: Was passiert mit mir, wenn die Behandlung nicht hilft? häufig vermieden. Dass es Mut erfordert, auch über tabuisierte Empfindungen zu sprechen, weil nur so eine Lebensplanung in offener und ehrlicher Kommunikation und Selbstbestimmung möglich ist, war eines der Themen, die Bettina Hitzer in ihrem Vortrag am 5. Dezember 2022 aufgegriffen hatte. Bettina Hitzer ist Historikerin am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, Berlin, und Professorin am Fachbereich Geschichte, Ethik und Theorie der Medizin des Universitätsklinikums Magdeburg. Ihre Arbeiten zur Wissens- und Emotionsgeschichte sowie zur Migrations- und Religionsgeschichte wurden im Jahr 2016 mit dem Walter-de-Gruyter-Preis der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften ausgezeichnet.
Anlass der Einladung war Bettina Hitzers Buch „Krebs fühlen – Eine Emotionsgeschichte des 20. Jahrhunderts“ (Klett-Cotta 2020), in der sie u.a. der Frage nachgegangen ist, welche Hürden und Schwierigkeiten bestehen, über eine schwere Erkrankung zu sprechen. Für Patient/innen und Angehörige, aber auch Mitglieder des Behandlungsteams hat sie in ihrem Vortag hilfreiche Einblicke gegeben und der anschließende Austausch mit den Teilnehmer/innen hatte gezeigt, wie wichtig es ist, derartige Austauschmöglichkeiten zu schaffen. Die Veranstaltung bestätigte auf eindrückliche Art und Weise, dass die gesamte Vortragsreihe „Um Leben und Tod – aktuelle Herausforderungen in der personalisierten Medizin“, die im Herbst 2017 in der Evangelischen Akademie begonnen und bisher von insgesamt über 1800 Teilnehmer/innen verfolgt wurde, auf breite Resonanz trifft. Dies liegt natürlich vor allem an den Referierenden, die mit ihren verständlichen und eindrücklichen Beiträgen aus Medizin, Psychologie, Theologie, Literatur, Musik, Film und Malerei aufzeigen, wie vielfältig die Auseinandersetzungen mit den existenziellen Fragen sind, die durch eine (Krebs)Erkrankung aufgeworfen werden. So ist es ein wichtiges Ziel der Vortragsreihe, auch alle an einer onkologischen Behandlung beteiligten Personen für die körperlichen, seelischen und spirituelle Bedürfnisse der Patient/innen zu sensibilisieren.