International Youth Summit
Jugendkonferenz
Viele junge Menschen wollen nicht einfach zuschauen, wie ihr Lebensraum – der einzige Planet, den wir haben – langsam zerstört wird. Sie wollen versuchen, ihn zu retten. Wenige Tage vor dem 28. UN-Weltklimagipfel sind die Fakten leider ernüchternd: Zwei neue Studien legen nahe, dass in nur sechs Jahren das Ziel nicht mehr erreichbar ist, die Erderwärmung auf unter 1,5 Grad zu begrenzen. Der Copernicus-Klimawandeldienst geht davon aus, dass 2023 das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen sein wird. Und die Ausstöße klimaschädlicher Emissionen steigen – im Jahr 2022 waren sie so hoch, wie noch nie.
Als Climate Ambassadors, mit Baumpflanzaktionen und in Demonstrationszügen zeigen junge Menschen rund um die Welt, dass sie Änderung sehen wollen. Was können wir in der Evangelischen Akademie Frankfurt als Bildungsinstitution machen, um sie dabei zu unterstützen? Wie wäre es mit einem internationalen Begegnungsformat, bei dem man sich vernetzen, Expert*innen treffen, neues lernen und eigene Forderungen formulieren kann? Genau das probierten wir diesen Herbst in Kooperation mit der Stiftung Plant-for-the-Planet und ihrem internationalen Netzwerk unabhängiger Organisationen.
Vier Tage lang trafen sich vom 5. – 8. Oktober 2023 über 50 aktive, engagierte und neugierige junge Menschen aus insgesamt 20 Ländern in der Evangelischen Akademie Frankfurt; aus Mexico, Indien, Nigeria, Italien – und natürlich aus der Rhein-Main-Region. Das Youth Summit konzentrierte sich auf Fragestellungen rund um die Herausforderungen und innovativen Lösungen bei der Finanzierung einer klimagerechten Welt. Das Thema der Konferenz kam von den Jugendlichen, die sich ehrenamtlich bei Plant-for-the-Planet engagieren. Ein ungewöhnliches Thema für junge Menschen vielleicht, aber wie Felix Finkbeiner, Gründer von Plant-for-the-Planet (übrigens damals im Alter von 9 Jahren), in seiner Eröffnungsrede erklärte, ist die Frage der Klimafinanzierung eine der zentralen Herausforderungen zur Bewältigung der Klimakrise. Bei der letztjährigen Weltklimakonferenz in Ägypten wurde berechnet, dass die Umstellung auf eine kohlenstoffarme Wirtschaft Investitionen in Höhe von vier bis sechs Billionen USD pro Jahr benötigt. Von wo sollen die Gelder kommen, wofür sollten sie eingesetzt werden, wer soll das wie entscheiden und was heißt „gerecht“ in dem Zusammenhang? Das waren einige der Fragen, die uns im Organisationsteam beschäftigten.
Von Klimafinanzierung und dem guten Leben
Um diesen Fragen nachzugehen, gab es Inputs, Workshops, Diskussionen und – wenn wir schon mal in Frankfurt sind – einen Besuch bei der Europäischen Zentralbank am Mainufer. So teilte beispielsweise Globalisierungsexperte Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. F. J. Radermacher seine Expertise rund um die Frage, wie arme Länder wachsen und sich entwickeln können, ohne dass dies zur Katastrophe für das Klima wird. Seine Botschaft war klar: Reiche Länder können das Problem der Erderwärmung nicht auf ihrem eignen Boden lösen. Sie müssen mit den armen Ländern kooperieren. Wo die einen Finanzierung und Technik anbieten können, können andere Systemdienstleistungen beitragen.
Kann privates Geld Teil der Lösung sein? Das war eine der Fragen, die Dr. Karishma Ansaram vom UN High Level Climate Champions Team, Dr. Verena Kröss, Beraterin bei WEED e.V., und Finanzexpertin und ehemalige Bankenmanagerin Marie Kuhn miteinander auf einem Podium diskutierten. Einig waren sie sich nicht: Während eine geeignete Lösung schien, Regeln wie die EU-Taxonomie einzuführen, wodurch Kapitalströmen so gelenkt werden, dass in „grüne“ Technologie investiert wird, gab es ebenfalls das Argument, dass private Gelder das Klimaproblem nicht lösen werden. In Anpassungsmaßnahmen will kaum jemand investieren. Das Podiumsgespräch mit dem Titel „Financing Our Future. Mobilizing Trillions, Transforming Systems, And Empowering Global Action“ kann hier angeschaut werden.
Kann Kapitalismus Klima? Um den Teilnehmenden bei dieser Frage ein paar neue Gedanken mitzugeben, stellte Dr. Jerome Warren von der Académie royale des Sciences, des Lettres et des Beaux-Arts de Belgique ein Potpourri alternativer Wirtschaftsmodelle vor. Hier ging es um regenerative Ökonomie, um Gemeingüter, Gemeinwohlorientierung und das Vorgehen, einen Stuhl im Vorstandsgremium für die Natur freizuhalten. Auch im Workshop „Imagine 2050“ von Stina Kjellgren ging es um die Frage, wie wir eigentlich leben wollen und was wir dafür brauchen. Zu sehen, wie Architekt*innen und Künstler*innen sich Städte, Siedlungen und Lebensweisen der Zukunft vorstellen, inspirierte und setzte die kreativen Geister frei. Anhand verschiedener Kategorien wie Essen, Schlafen oder Bewegen zeichneten und schrieben die Jugendlichen auf, was sie sich für die Zukunft erhoffen.
Lockere Atmosphäre für ernsthafte Themen
Immer wieder gab es Auflockerungselemente und Alternativen zum Finanzthema, das zugegebenermaßen auch etwas trocken werden kann und nicht jedermanns Sache ist. Statt der Europäischen Zentralbank konnten die Jugendlichen beispielsweise das Naturkundemuseum und das Forschungsinstitut Senckenberg besuchen und erfahren, wie es um die Artenvielfalt der Welt steht. In einem lockeren Gespräch mit Prof. Thomas Hickler erfuhren wir, wie es sich anfühlt, als Wissenschaftler in einer politischen Anhörung zu sitzen und kaum etwas sagen zu können, weil fast alle Fragen an Personen aus der Industrie- und Wirtschaftslobby gehen.
Workshops gab es auch beispielsweise dazu, was die Umweltpsychologie uns darüber verrät, wie man über das Klima reden kann, um Menschen mitzunehmen und zu aktivieren. Für junge Engagierte durchaus spannende Infos. Praktisch wurde es in einer Arbeitsgruppe, die eigene Beiträge für Social Media entwarf. In einer anderen ging es um die Entwicklung einer neuen Software-Applikation zur Überwachung von Baumbeständen, die den Teilnehmenden vorgestellt und zur Diskussion gestellt wurde. Für diejenigen, die Frankfurt noch nicht kannten, boten zwei Teamende aus der Akademie eine Stadtwanderung an, bei der politische Bildungsmethoden mitten im Bankenviertel und an Orten lokaler Protestgeschichte durchgeführt wurden. „Wo ist das WIR in Wirtschaft?“, war die Frage, die die Wanderung begleitete.
Am Ende stand ein abwechslungsreiches Programm, dem auch die jüngeren (16 bis 17-jährigen) Teilnehmenden viel abgewinnen konnten. Und natürlich fehlte es nicht an Spaß. Mit viel Humor, lustigen Geschichten, Quizfragen und Kreativprogramm zu Mocktails und Musik gab es abends ein wichtiges Gegengewicht zu den ernsten Themen des Tagungsprogramms.
Beim Abschied nach vier intensiven Tagen überschütteten die Teilnehmenden einander und das Orga-Team mit positiven Rückmeldungen. Neben der Rückmeldung, dass das Programm viele neue Einsichten, Erkenntnisse und Ideen gebracht hat, ging es um die vielen spannenden Begegnungen, um das Gemeinschaftsgefühl, darum zu spüren, dass man nicht allein ist, sondern von den anderen getragen, wertgeschätzt und ermutigt wird. Aus Akademiesicht war es extra erfreulich, dass eine ganze Handvoll junge Frankfurter*innen mit dabei waren. Wenn ehemalige Teilnehmende wiederkommen, muss das heißen, dass man etwas richtig macht.
Richtig stolz sind wir ansonsten auf den Entwurf eines Manifests, das eine Gruppe während des Youth Summit erarbeitete: Hierfür stimmten junge Menschen über ihre wichtigsten Forderungen an Politik und Wirtschaft ab und formulierten diese aus. Vielleicht klappt es sogar, dass das Manifest rechtzeitig finalisiert wird, um von einer Delegation zu der 28. Weltklimakonferenz nach Dubai mitgenommen zu werden. Wir verfolgen die Berichtserstattung und sind gespannt!
Durch die großartige Fundraising-Aktion des Fördervereins konnten wir für dieses Projekt zusätzliche Mittel einwerben. Mit persönlichen Spenden von insgesamt 2250,-€ konnten Teilnehmende aus aller Welt bei der Finanzierung ihrer Reisekosten unterstützt werden, was für einige eine echte Entlastung darstellte oder es in Einzelfällen überhaupt erst ermöglichte, dass sie vor Ort teilnehmen konnten. Zusammen mit der regulären Förderung dieses außergewöhnlichen Projekts, hat der Förderverein maßgeblich zum Gelingen des Youth Summit beigetragen. Über den Spirit, die jungen Menschen und deren Arbeit hier vor Ort können Sie sich in diesem Video einen schönen Einblick verschaffen: Videoclip "Youth Summit"